von Gerhard Maier
Die Isländer haben eine lange Schriftstellertradition und eine blühende Fantasie. Alles, was sich in den letzten 1150 Jahren ereignet hat, ist niedergeschrieben. Sie sind überzeugt, dass sich auf der Insel ein verborgenes Volk aufhält, das aus Elfen, Feen, Trollen und Gnomen besteht. Elfen sind uns Menschen am ähnlichsten, was mit dieser Legende erklärt wird: Gott suchte überraschend Adam und Eva auf, die waren mit dem Waschen all ihrer Kinder nicht fertig geworden und versteckten die Ungewaschenen. Gott wusste natürlich Bescheid und sagte: „Alle, die ich nicht sehen kann, sollt ihr Menschen auch nicht mehr sehen können.“ Die Ungewaschenen wurden zum verborgenen Volk.
Elfen suchen die Nähe von Menschen und betreiben auch Viehzucht, glauben die Bauern und lassen Heu für die Elfen liegen. Auch Paarungen soll es geben, diese Mischlinge sind dann einen Kopf kleiner als Menschen.
Das verborgene Volk haust meist in Steinformationen und Hügeln. Es kann vorkommen, dass Straßen einen rechtwinkligen Schwenk machen, weil Trolle nicht wollten, dass Autos durch ihre Wohnungen fahren. Baumaschinen beißen sich an gewissen Stellen im sprichwörtlichen Sinn die Zähne aus. Es gibt aber auch ein Ministerium, das sich um die Belange des verborgenen Volkes kümmert. Offizielle Elfenbeauftragte sind dafür zuständig, dass keine Straße durch Elfenterritorium gebaut wird. Außerdem gibt es für die ganze Insel „Karten der verborgenen Welt“, die auch Touristen kaufen können.
Die beiden Autoren Hildberg und Aegison haben das Handillustrierte Buch „Meeting with Monsters“ herausgebracht. Im Detail sind 9 Landmonster, 20 Wassermonster und das Luftmonster Hverafugl, der „Vogel der heißen Quellen“ katalogisiert. Sie haben sich dabei auf Sichtungen und Beschreibungen von Isländern verlassen. In Ermangelung von Fotos sind die Tiere kunstvoll gezeichnet, genau beschrieben und die Sichtungen in Landkarten eingetragen. Die „Ghoul“, eine große Katze, ist mit ihrer Risthöhe von 50 Zentimetern ein imposantes Vieh, ihr Gebiss mit nach oben gerichteten Fangzähnen lässt sie gefährlich wirken. Sie ist entweder Schneeweiß oder Lavaschwarz und wurde in den südlichen Bergen oberhalb der Siedlung Vik gesichtet.
Als ich mir das Buch „Meeting with Monsters“ zu Gemüte geführt hatte und später am mysteriösen schwarzen Lavastrand von Vik stand, spürte ich, dass hier die Lava-Köttur, die Lavakatze gehaust haben muss. Sie wird die Urmutter der heutigen „Ghoul“ gewesen sein. Die Lavakatze war schwarz und weiß um sich in der Lava und im Schnee tarnen zu können. Ich spürte sie hinter der Türlochinsel hervorlugen, wo sie den gewaltsamen Tod des Wikingers Hjörleifur mitbeobachten musste, der 870 n.Chr. von seinen irischen Sklaven erschlagen wurde. Da die Evolution die Lavakatze, eine Fischfresserin, nicht auf das Jagen von Menschen vorbereitet hatte, schrumpfte sie bis heute auf 50 Zentimetern Risthöhe und jagt jetzt den Wikingern die Schafe ab.
© Gerhard Maier 2021-01-29