Emotionale Stabilität einer Pusteblume

Jenny-Michele Plaska

von Jenny-Michele Plaska

Story

Dieses Jahr? Oh, dieses Jahr hat mich wirklich in eine Pusteblume verwandelt. So eine zerbrechliche, kleine Pusteblume, die bei jedem kleinsten Windstoß ihre Samen verliert. Genau das passiert gerade mit meinen Emotionen. Als hätte jemand entschieden, dass ich jetzt mal erleben soll, wie es sich anfühlt, komplett von meinen Gefühlen überrollt zu werden – und zwar in voller Intensität.

Ich habe dieses Jahr so viel geweint, dass ich mir sicher bin, es würde locker für den Rest meines Lebens ausreichen. Eine Träne hier, ein Schluchzen da, und schon sieht man mich, wie ich wieder in meinem Zimmer sitze, zerbrochen wie die Pusteblume, die gerade ihre letzten Samen an den Wind verloren hat. Wer braucht schon emotionale Stabilität, wenn man in Tränen baden kann, richtig?

Und dann ist da diese Sache mit der Liebe. Ja, ich habe mich dieses Jahr verliebt. Zum ersten Mal so richtig. So intensiv, dass es sich anfühlt, als hätte ich mein Herz auf eine Achterbahn gesetzt, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen. Hoch und runter, durch Kurven und Schleifen, und das alles mit einer Geschwindigkeit, die mir den Atem raubt. Ein Moment des Glücks, des Hochgefühls – und zack, kommt der Windstoß, und ich werde wieder hin und her gerissen, bis ich nicht mehr weiß, ob ich lachen oder weinen soll.

Und genau hier passt das Bild der Pusteblume so perfekt. Eine Sekunde lang steht sie da, ruhig, in sich selbst ruhend, fast schön. Aber wehe, ein Windstoß kommt. Dann zerfällt sie in tausend Teile, die in alle Richtungen davontreiben, ohne dass sie etwas dagegen tun kann. Genau das passiert mit mir. Kaum fange ich an, ein Gefühl richtig zu fühlen – ob Liebe, Trauer, Wut oder Freude – da kommt schon der nächste Windstoß und ich fühle plötzlich alles gleichzeitig. Ein einziger Sturm aus Emotionen, der mich mitreißt und mir die Kontrolle entreißt.

Sarkastisch könnte ich sagen: Wow, wie schön es ist, so tief zu fühlen. Wie romantisch, wie dramatisch. Ich bin eine wandelnde Pusteblume, die bei jeder kleinen Brise in sich zusammenfällt. Aber wenigstens fühle ich überhaupt etwas. Das sollte man doch wertschätzen. Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass ich so ein emotionales Spektrum durchlebe. Vielleicht sollte ich mich einfach hinsetzen und die Fahrt genießen.

Aber ehrlich gesagt, es macht mich fertig. Diese intensive, überwältigende Gefühlswelt, die mich immer wieder überrollt und mich wie eine Pusteblume auseinanderreißt, lässt mich taumeln. Ich wünsche mir manchmal nichts sehnlicher, als dass der Wind endlich aufhört zu blasen, dass ich einfach nur für einen Moment in Ruhe stehen kann, ohne von meinen eigenen Emotionen zerfetzt zu werden.

Doch das ist wohl die emotionale Stabilität einer Pusteblume – ein Trugbild von Ruhe und Frieden, das beim kleinsten Lüftchen in sich zusammenfällt. Und hier bin ich, mittendrin in diesem Sturm, unfähig, den Wind zu kontrollieren, der mich immer wieder umwirft.

Wie eine Pusteblume, die beim kleinsten Windstoß ihre Samen verliert, so zerbrechlich ist das Herz, das zu tief fühlt.

© Jenny-Michele Plaska 2024-08-24

Genres
Spiritualität
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional, Hoffnungsvoll, Informativ
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