Engerl bitte bleib noch bei mir

Horst Sammet

von Horst Sammet

Story

So oder so ähnlich kann es gehen, wenn sich zwei liebende Menschen ungewollt trennen müssen. Ob es ihnen passt oder nicht, einmal kommt die Zeit, die niemand kennt, aber sie wird kommen. Es wäre schön in einer Ehe, wenn beide gleichzeitig das irdische Leben verlassen und sich auf den Weg machen, dahin wo noch niemand auf Erden je davon berichtet hat. In jungen Jahren machten auch wir uns keine Gedanken über eine Trennung durch den Tod. Da will niemand etwas davon wissen. Erst, wenn die Eltern, Verwandten oder die besten Freunde uns verlassen, sage ich immer, sie machen eine große Urlaubsreise. Da merken wir, es ist eine Lücke entstanden, die nicht mehr richtig gefüllt werden kann. Sicher kommen neue Menschen hinzu und sind über Jahre ein Ersatz geworden, aber es sind doch nicht die alten Freunde. Ab einem gewissen spürbaren Lebensabschnitt, so Mitte Fünfzig, wird das eigene Leben und das des Ehepartners immer wertvoller. Der jugendliche Leichtsinn ist gewichen und die Angst, es könnte etwas Unerwartetes passieren, kriecht langsam aber sicher in den Körper hinein und ist nicht mehr aufzuhalten. Das Leben und die Zeit haben uns geformt und so nimmt alles seinen Lauf bis zum Tage X.

Nun hat es uns auch erwischt, ein Schicksalsschlag aus heiterem Himmel. Das große böse und unheimliche Schlagwort: Krebs oder ein Tumor im Darm. Die Welt steht still, 1000 und mehr Gedanken jagen im Kopf hin und her. Beim gegenseitigen Blick in die Augen steht die Frage im Raum, warum gerade WIR.

Der OP-Termin steht schon fest, es ist der 8. Dezember. Ja, es soll und muss jetzt sein. Am 13. Dezember der 60. Geburtstag ansteht, warum nicht einmal im Krankenhaus? Hauptsache, dass es gut geht, sodass wir beide Weihnachten wieder zusammen sind. Was alles schief gehen könnte, – nein, daran denken wir nicht, aber der Schockzustand ist immer noch da.

Zuhause oder daheim ist da, wo sich zwei wohl und sicher fühlen. Wir haben doch noch eine zweite Chance bekommen und dürfen einen Neuanfang starten. Die OP ist gut verlaufen (ein dickes Lob an das Ärzteteam) und die Natur wird alles richten, wie immer. Da freuen wir uns, wieder gemeinsam durch das Leben zu gehen. Wie lange es noch dauern wird, wollen wir heute und gerade jetzt nicht wissen.

Unsere Weihnacht: Alle Jahre wieder mit Linsensuppe, Würsteln, selbstgemachtem Brot und einer Himbeer-Bowle. Geschenke gibt es bei uns zu Weihnachten seit Jahren nicht mehr, aber 2021 schenken wir uns die Freude am Hiersein. Zwei Engerl sind noch oder wieder beisammen. In diesem Sinne ein Spruch und frohe und schöne Weihnachten:

Gott wusste, dass ich einen Engel brauchte,

also gab er mir meine Ehefrau und

schenkte uns ab heute noch viele Jahre Gemeinsamkeit.

DANKE

© Horst Sammet 2021-12-12

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