von Jan-Mikael
Gerade war ich für ein paar Wochen in eine andere Stadt gegangen – inzwischen sogar für länger. Da ein Hotel auf Dauer zu teuer war und ein Umzug noch nicht in Frage kam, folgte ich dem Tipp meiner Schwester und suchte bei einem Kleinanzeigen-Portal nach einer Zwischenmiete. Ich verfasste eine Handvoll Nachrichten an einige Inserenten und wartete. Schließlich bekam ich die erste Antwort und vereinbarte mit dem Inserenten ein erstes Skype-Gespräch. Es stellte sich heraus, dass der Mieter der ausgeschriebenen Wohnung auf eine längere Reise ging und einen Untermieter suchte. Ein perfekter Match! Die Wohnung war zentral gelegen, vergleichsweise günstig und von der Ausstattung komplett in Ordnung. Er müsse nur noch das Wohnmobil zu Ende bauen, meinte er, dann könne es losgehen. Er sei Tischler und kümmere sich sozusagen selbst um alles.
Es vergingen Tage, in denen er sich offenbar mehr um das Wohnmobil kümmerte als um eine mögliche Wohnungsübergabe. Ich vertraute derweil darauf, dass schon alles klappen würde. Schließlich hatte sich durch das Gespräch ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut. Um wenigstens meine eigenen Hausaufgaben zu machen, packte ich schon mal meine Sachen. Den Glauben ins Gelingen, den ich hier entgegenbrachte, geht mir an anderer Stelle nur allzu gerne ab. So zum Beispiel, wenn es um meine Tätigkeit als Autor geht. Erst über die letzten Monate ist bei mir ein Bewusstsein gereift, mich wirklich als solcher zu fühlen und so zu nennen. Zwar zunächst noch mit Zurückhaltung, doch immerhin. Schließlich kann ich ohne Zweifel und auch mit Bescheidenheit sagen, dass ich Autor von mittlerweile drei Büchern bin. Und nicht zuletzt ist es das Schreiben, das mich immer wieder an andere Orte trägt und auch am gegenwärtigen Ortswechsel seinen Anteil hat.
Bald darauf traf tatsächlich die Nachricht meines potentiellen Vermieters ein und ich machte mich auf den Weg Richtung Berlin. Ich war froh, dass mich meine Menschenkenntnis nicht getäuscht hatte und ein Vertrauensvorschuss noch immer zählt (er gilt ja erst recht für jemanden, der seine Wohnung vorübergehend an jemanden Fremdes abgibt). Wir setzten uns in seine Küche und unterhielten uns, während wir gemeinsam den Vertrag durchgingen. Die Wohnung war mit dem Nötigsten ausgestattet, wobei es sich vornehmlich um selbstgebaute Möbel handelte. Stimmt, der Vermieter war ja Tischler. Ich erinnerte mich. Als wir beide den Vertrag unterschrieben und ins Plaudern kamen, kamen wir auf unsere Berufe zu sprechen. „Und du bist also Tischler?“, fragte ich schließlich. Da schaute er mich mit entschlossenem Blick an: „Nein. Eigentlich bin ich Philosoph!“
Die selbstgebauten Möbel und die Tischlerei, sowie die Idee, Räume zu vermieten (neben dem Wohnmobil besitzt er auch eine kleine Landhütte), sind also eher die untergeordnete Idee seines Philosophen-Daseins. Wenn ich eines von ihm lernen konnte, dann genauso entschlossen zu sagen: „Und ich bin Autor!“
© Jan-Mikael 2022-09-09