Entweder – oder

Story

„Genau! Des is’!“ Hans und ich hatten lange gegrübelt. Nun waren wir uns einig geworden. Die erste musikalische Veranstaltung im Brechelbad sollte ein Gstanzlsingen sein. Ich hatte kurz zuvor in der Schule für Dichtung in Wien bei einem Gstanzl-Workshop mitgemacht, die der Großmeister des Neuen Wienerliedes, Roland Neuwirth, leitete. Gstanzln gab es also in Hülle und Fülle.

Auch der Interpret war schnell gefunden: Fritz Kohles, Beislwirt, Schauspieler, Sänger, ein echtes Salzburger Original, geradlinig, unbeugsam, trinkfreudig. Ein Gstanzl, das ich geschrieben hatte, passte auf ihn wie die Faust aufs Auge, quasi eine Lebensphilosophie in vier Zeilen: „FĂĽhl mi oiwei maroda,/ owa erscht oisa Doda /sauf i a Soda. /Entweda – oda!“

Fritz hatte einen Wunsch, den ich ihm gern erfüllte. Musikalischer Begleiter sollte ein 17-jähriger Ziachspieler aus Berndorf sein, der Maurer Xandl. „Der ist ausgezeichnet. Du wirst sehen, aus dem wird noch mal was!“, meinte Fritz. Er sollte recht behalten. Heute ist Alexander Maurer erfolgreicher Musiker bei Faltenradio und Saitensprung sowie Dozent für Steirische Harmonika an der Anton Bruckner Universität in Linz sowie an der Musikhochschule in München. Außerdem hat er ein großes Herz fürs Brechelbad. Als der Xandl dort 2015 mit Saitensprung auftrat, verzichteten er und seine Kollegen auf die Gage. „Das ist doch Ehrensache!“ sagte er.

Schade, dass Fritz dessen Höhenflüge nicht mehr erleben konnte. Das Gstanzlsingen war eines seiner letzten öffentlichen Auftritte. Er starb nur wenige Monate danach, am 17. Jänner 2006. Nicht ganz unerwartet, aber doch viel zu früh im 52. Lebensjahr. Ich erinnere mich noch gut: Zu seinem 50. Geburtstag, als nur noch wenige Freunde zu später Stunde im Gastgarten seiner „Klause“ saßen und über das Leben, die Liebe und den Wein philosophierten, wurde Fritz sentimental, sprach vom Sterben und von dem Lied, das man dereinst bei seinem Begräbnis spielen sollte, „Ein echtes Wienerlied“ von Roland Neuwirth. Es beginnt mit den Worten: „Er hat an Abgang g’macht, er hat die Botsch’n g’streckt, er hat a Bankl g’rissen, hat si niederg’legt…“ und zählt die vielen Möglichkeiten auf, die der Wiener findet, um dem Tod zumindest begrifflich die Schwere zu nehmen.

Wusste Fritz schon damals, dass sein Ende nah war? Zum ersten Todestag fand in der ARGE Kultur Salzburg unter dem Titel „… sollst leben, Fritz!“ eine poetisch-musikalische Hommage auf ihn statt. Auch Roland Neuwirth kam auf meine Einladung und sang das zitierte Lied. „Wer sich von mir und den Extremschrammeln den Abgesang wünscht, muss ein Gesinnungsgenosse sein“, meinte er.

Es wurde ein unvergesslicher Abend. Der Orkan Kyrill tobte über die Stadt und riss die Dächer von den Häusern und Roland Neuwirth den Hut vom Kopf. Ich hätte gewettet, der wäre angeschraubt.

© 2020-03-28

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