von Margaretha Husek
Kurz vor ein Uhr nachts hat im Osten Österreichs schon wieder die Erde gebebt. Ich war zum Zeitpunkt des Bebens gerade am Lokus. Halbverschlafen dachte ich zuerst, dass der Porzellanthron rebelliert. Vielleicht war ich zu laut?
Mein zweiter Gedanke war, das sind Sturmböen. Die Jalousien haben gescheppert. Doch auch die Gläser im Wandverbau klirrten. Verursacht von dem jungen Paar, das vor einigen Wochen unter mir eingezogen ist?
Anschließend dachte ich, es sei eine Explosion in der Wohnhausanlage. Doch komischerweise immer gleichzeitig mit Geräuschen aus Richtung Straße, die mich glauben ließen, das wären große Lkws oder Baufahrzeuge, die derzeit Kanalisation rund um die Wohnhausanlage durchführen und auch öfters während der Nacht arbeiten. Es hat sich so angehört und angefühlt.
Am Morgen hörte ich in den Nachrichten, das Erdbeben der Stärke 4,4 sei bei Neunkirchen gewesen. Laut Experten lag die Ursache für das Beben in einer Bruchzone, die in der alpinen Gebirgsbildung entstanden sei.
Vormittags erzählte mein Nachbar seine Eindrücke. Das Gewackel wäre deswegen, weil es uns die Italiener vom Süden her herauf drücken: „Sollen’s bleiben, wo sie sind.“ Er lag gerade im Dämmerzustand im Schaukelstuhl, als neben ihm der große, schwere Schreibtisch ziemlich rumpelte. Aufgrund der vielen Baustellen und Bohrungen rund um seinen Häuserblock würde man sowieso kein Beben spüren. Aber immerhin gehe es der Baubranche trotz Pandemie blendend.
„Was ein Beben im Wiener Becken? Ich habe nichts gespürt. Dafür hat das Becken meiner Wiener Freundin letzte Nacht ordentlich gebebt“, lachte verschmitzt ein Wanderkamerad am Telefon: „Wer ist eigentlich verantwortlich für die Schäden, die das Erdbeben verursacht?“
„Vermutlich der Verursacher des Erdbebens“, war mein launischer Vorschlag. „Da musst du halt den Schaden bei Luzifer melden, damit er nicht so rumpelt beim…“
Man sollte die Erdbeben in der Gegend um Wien nicht unterschätzen. Das recht solide gebaute römische Militärlager inklusive der Zivilstadt Carnuntum und seine Umgebung wurden im Jahr 365 so stark verwüstet, dass ein Wiederaufbau nicht mehr rentabel erschien. Die Zerstörung ist archäologisch in der gesamten Zivilstadt nachweisbar.
Den Kaktus auf dem Regal über meinem Kopfteil im Schlafzimmer habe ich vorsorglich schon entfernt. Sonst attackiert der mich noch mal im Schlaf, wenn wieder ein Erdbeben ist.
© Margaretha Husek 2021-04-22