Erde, ich spüre dich

friederike kommer

von friederike kommer

Story

Erde, ich spüre dich, leise berühr ich dich. Dulde den Menschenfuß, Fühl meinen Liebesgruß!

Trägst mich bei jedem Schritt, nimmst meine Last auch mit, schenkst mir die Heimat hier, Erde, ich danke dir.

Hedwig Diestel

Die Heileurythmie – Stunde begann mit dem Gehen im Takt dieses Gedichts. Sie hat mich durch eine schwere Krankheit getragen. Auch heute noch begleiten diese Worte meine Gehmeditation. Liebe und Dankbarkeit schwingen mit, und das gibt mir Kraft.

Als ich das Gedicht von Hedwig Diestel zum ersten Mal hörte, wohnte ich mit meiner Familie im Süden von Wien, im Umfeld der Waldorfschule. Ökologie spielte eine wichtige Rolle. Das war in den 1980/90er Jahren, die Zeit der Idealisten und Pioniere, die keine Mühe scheuten Widerstände zu überwinden und das Bewusstsein für einen pflegenden Umgang mit der Erde und für Lebensqualität zu wecken.

Da gab es eine Familie, die den Keller ihres Hauses einer Milch – Coop zur Verfügung stellte. So konnte die Milch eines niederösterreichischen Demeter – Bauern Konsumenten in Wien erreichen. Zu dieser Zeit eröffnete auch die genossenschaftlich organisierte BERSTA mit Bio – Produktion aus dem Waldviertel einen Laden im 16. Bezirk. Da wir nicht so weit fahren wollten, waren wir froh, als eine pensionierte Lehrerin in ihrem Gartenhaus im 23. an drei Tagen pro Woche frische Lebensmittel von Biobauern verkaufte.

Dann gab es den kleinen Bioladen in Wien Mauer, dessen Besitzer uns immer wieder versicherte, er tue das alles für die Erde, nicht für seine und unsere Gesundheit. Das wäre nur der Nebeneffekt. Er hat damals das Herz meines kleinen Sohnes erobert, der eines Tages im Garten Blumen pflückte, um sie dem Mann im Bio Laden zu schenken.

St. Pölten zog mit dem Naturkostladen EVI 1980 mit. Dort kaufte meine fortschrittliche Mutter ein, vor allem, wenn sie den Besuch der Enkelkinder erwartete. Sie tat es aber auch für sich.

Das Gespür für eine gute, ehrliche Qualität und die Grundlage für einen bewussten, liebevollen Umgang mit der Erde und ihren Geschöpfen wurde in diesen Jahren bei meinen Kindern gelegt. Später dann, in der Pubertät, entschieden sich die Kinder auf Fleisch zu verzichten. Ich fand das gut und bin bis heute dabei geblieben.

Noch mehr, der Buddhismus hat mich gelehrt alle Wesen als gleich liebenswert zu betrachten. Alle fühlenden Wesen befinden sich in einem Kreislauf von Geburt und Tod. Wir sind alle miteinander verbunden, und nichts und niemand existiert für sich und von sich allein. Wie konnten wir das nur vergessen!

Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann die Welt verändern, so sagt die Chaostheorie.

Den Pionieren, die uns damals begleiteten, danke ich: Herr Rosen, Frau Löfström, Frau Kühne, Wien. Sie weilen nicht mehr unter uns. Danke Herrn Johann Lechner, St. Pölten.

foto fk.

© friederike kommer 2021-05-12

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