von Lilly Frost
Es ging zum Skikurs. Ich, 13 und aufgeregt, weil ich weder Skifahren konnte, noch ordentliche Skier besaß, lief aufgeregt auf dem Busparkplatz auf und ab. Dort trudelten nach und nach meine Klassenkameraden ein. Ein Auto nach dem anderen fuhr vor. Skier, Skischuhe und Gepäck wurden aus dem Kofferraum gehievt. Ich war erleichtert, dass meine Mutter und ich so zeitig angekommen waren. Wir besaßen kein Auto. Stattdessen hatten wir die gesamte Ausrüstung mit dem Bus angekarrt.
Die Buben verglichen ihre neuen Skier, die sie zu Weihnachten bekommen hatten. Ich versteckte meine alten, geborgten Bretteln hinter dem Rücken, aus Angst vor blöden Kommentaren.
Meine Mama unterhielt sich mit einer anderen Mutter. Meine Freundin M. freute sich auf die kommenden Tage. Sie war eine begnadete Skifahrerin und flitzte die Pisten hinunter, seit sie laufen konnte. Meine Mama, eine Flachlandindianerin aus Illinois, kannte Skifahren nur vom Hörensagen. Und mein steirischer Vater hatte den Pistenspaß aufgegeben, weil er ihn zu teuer fand.
„Früher sind wir den Hang hinaufgebrettelt“, erzählte er stets. „Da gab es keinen Lift und das Skifahren kostete nichts – außer die zwei Bretteln und ein bisschen Anstrengung.“
Das habe ich jetzt davon, dachte ich. Tage zuvor hatte unser Klassenvorstand uns gefragt, ob wir „eh alle Skifahren könnten“. Als ich als einzige zugeben musste, dass ich es nie gelernt hatte, runzelte er angespannt die Stirn. Schließlich meinte er, wir würden das schon „irgendwie“ hinkriegen. Ich war hoch motiviert.
Meine Mama redete immer noch mit der anderen Mutter, als M. und ich unser Gepäck im Bus verstauten. Dann setzten wir uns ans Fenster. Allmählich hörte mein Herz auf zu flattern und ich begann, mich auf die Tage in Lech am Arlberg zu freuen. Würde schon schiefgehen. Was sollte ich schlimmsten Fall passieren?
Irgendwann musste meine Mama bemerkt haben, dass ich nicht mehr auf dem Parkplatz stand. Als der Bus den Motor startete, entdeckte sie mich am Fenster sitzend. In einer gespielt melodramatischen Bewegung zog sie etwas aus ihrer Handtasche. Offenbar wollte sie mir damit zum Abschied winken!
Bye bye, formten ihre Lippen. Ihre Hand wedelte mit einem weißen, länglichen Gegenstand auf und ab.
Sie hatte anstelle eines Taschentuchs eine Slipeinlage aus ihrer Tasche gezogen. Das Blut schoss mir ins Gesicht. Entsetzt wandte ich den Blick ab. Meine Mama dürfte ihren Irrtum bemerkt haben, denn sie stopft die Peinlichkeit rasch zurück in ihre Tasche.
„Sag mal, ist das da nicht deine Mama?“, fragte einer meiner Klassenkameraden grinsend.
Noch nie hatte ich mir so sehr gewünscht, die Erde möge sich auftun und mich verschlucken.
„Nein“, entgegnete meine Freundin ungerührt. „L‘s Mama konnte leider nicht mit kommen. Deshalb ist sie mit uns gefahren.“
Dankbar und beschämt, rutschte ich tief in meinen Sitz.
Die Skiwoche war dann lustiger als gedacht. Das Skifahren habe ich dennoch erst viele Jahre später, mit 39, erlernt.
© Lilly Frost 2020-12-28