von Sabine Steinhoff
Nach meinem Besuch beim Sandmann schlief ich erstmal ordentlich aus. Gegen Mitternacht wurde ich wach und setzte mich erst einmal im herrlichsten Mondenschein in meinen Hexenkräutergarten. Filou, mein schwarzer Hahn wartete schon ungeduldig auf seiner Stange.
„Oh Erdmute, auch endlich wach?“ krächzte er. „Bist Du nicht langsam zu alt für dein Hobby?“
Alle Hexen haben schwarze Raben oder Katzen. Ich jedoch habe meinen Filou. Wir saßen in meinem Garten und unterhielten uns angeregt. Ich frühstückte eine leckere Krötensuppe. Der Mond schien hell von einem wolkenlosen Himmel und es war herrlich warm. Nach dem Essen ruhte ich mich ein wenig aus. Doch als ich so da saß und den Mond betrachtete fiel mir auf einmal etwas auf. Irgendetwas war anders als sonst bei Vollmond. Jemand fehlte in dieser Nacht. Der Mann im Mond war weg. Normalerweise schwenkt er seine Laterne und winkt mir zu, wenn der Mond seine rundeste Zeit im Monat hatte. Ich winkte zurück und dann lächelten wir beide, denn es ist sehr höflich und schön einander so freundlich zugewandt zu sein. Er ist ein kleiner dicker Mann, mit kugelrundem milchweißem Gesicht, gütig strahlenden braunen Augen und einer Glatze. Der Mann im Mond ist immer alleine da oben, aber er ist darüber keineswegs unglücklich. Im Gegenteil, meistens ist er gerne alleine, weil er ganz, ganz lieb und eher verschüchtert ist. Die anderen sind ihm oft zu wild. Gerade Frau Sonne ist ihm viel zu glühend und er ist froh, dass sie sich den Himmel so teilen, dass der eine schläft, wenn der andere wach ist. Jedenfalls war er in dieser Nacht nicht da und ich war in Sorge. War er krank oder hingefallen? Kurzentschlossen rief ich meinen Besen herbei und machte mich auf nach ihm zu schauen.
„Erdmute, nicht schon wieder!“, stöhnte Filou gereizt. „Wir wollten doch noch die Mondscheinsonate hören.“
„Ach Filou, das können wir doch immer noch tun, aber nun muss ich schnell nach dem Mann im Mond schauen.“
Ich ließ meinen beleidigten Gockel zurück und flog auf direktem Wege zu dem silbrig glänzenden Himmelskörper. Als ich auf dem Mond landete, war da nichts als Stille. Kein Mann im Mond. Nichts. Verwundert blickte ich mich um.
„Mann im Mond?“, wisperte ich zaghaft.
Denn auf dem Mond hallt es gewaltig von den Mondbergen herab, wenn man nicht achtgibt mit der Lautstärke. Und dann kommt eine riesige Mondstaublawine hinuntergesaust und man ist komplett eingesaut. Dann schimmert man silbrig und alles ist voller Mondglitter und das ist äußerst peinlich für eine Hexe. Schon mein eher geflüsterter Ruf hallte in Wellen durch die Mondberge. „Mannimmondmannimmond…“, säuselte es einmal um den ganzen Mond herum und kam schließlich hinter mir wieder an. Ich stoppte das Geräusch mit einem Hexensprüchlein, denn ansonsten wäre es ewig im Kreis gerollt, solange der Mond voll war. Dann war wieder Stille. Nein, da stimmte etwas ganz und gar nicht, denn er antwortete einfach nicht.
© Sabine Steinhoff 2021-07-07