von Franz Öfner
Es ist heiß und die Suche nach Schatten vergeblich. Ich sitze am Rand der Sahara, baum- und strauchlos, vor einem Tafelberg der inmitten der Sanddünen steil aufragt. Vor mir am Boden liegen meine Fundstücke. Muschelschalen, einzelne Platten von Schildkrötenpanzern, große und kleine Fischskelette und Abdrücke von Seegras. Schöne, gut erhaltene Versteinerungen aus einer längst vergangenen Zeit, als die Sahara noch eine Wasserwüste gewesen ist.
Schwer vorstellbar, dass hier einmal Wasser war, nicht nur ein Rinnsal, sondern ein richtiger Ozean, von dem wir bis in die heutige Zeit Spuren finden.
Ich schließe meine Augen, spüre die heiße Sonne auf meinem Körper und eine angenehme Müdigkeit macht sich breit. Von einem auf den anderen Augenblick bemerke ich eine Veränderung. Es ist ein Geräusch, ein Geruch der nicht hierher gehört. Es hört sich nach plätschern von Wasser an, und in der Luft liegt ein leicht salziger Geschmack. Kann das sein, oder spielt mir meine Kopf einen Streich?
Ich spüre Wasser, leichte, kurze Wellenschläge, zuerst nur an den Füßen, aber das Wasser steigt schnell, als kommt mit der Gezeitenströmung die Flut an. Aber ich fühle mich sicher und geborgen und das Wasser umspült mich immer mehr, bis ich letztendlich ganz eintauche und die Wellen über mir zusammenschlagen. Ich öffne meine Augen, treibe schwerelos dahin und soweit mein Blick reicht ist sauberes, klares Wasser.
Vor mir verwandelt sich die versteinerte Muschelschale in eine Perlmutt glänzende Schönheit, öffnet leicht einen Deckel und lässt das Meerwasser durch sich strömen. Die Teile des Fischskeletts überziehen sich mit einer glänzend metallisch blauen Haut und schwimmt mit einem Flossenschlag zu einem großen Schwarm anderer Fische. Der Tafelberg hinter mir hat sich in ein riesiges, farbenprächtiges Korallenriff verwandelt und es scheint mir unmöglich, die vielen unterschiedlichen Lebewesen dort zu zählen. Die Farbenpracht übertrifft alle meine vorstellbaren Größenordnungen. Mit langsamen, eleganten Bewegungen kommt eine Schildkröte direkt auf mich zu, verharrt kurz, schaut mich an, dreht sich langsam und taucht ab in die unendliche Dunkelheit der Tiefe.
Über mir, durch die Wellen, erblicke ich den blauen Himmel und kleine helle Wolken. Weiße Vögel ziehen ihre Kreise und man hört das Surren der Fliegen. Ich bin verwirrt, am ganzen Körper spüre ich die Strömung des Wassers und gleichzeitig eine leichte Brise Wind. Ich öffne die Augen und gleißendes Sonnenlicht lässt mich mit den Augen zwinkern. Meine Fundstücke liegen staubtrocken neben mir, die Luft ist trocken und heiß, und trotzdem sind meine Kleider nass.
War das alles Einbildung, oder gewährte mir das Universum gerade ein einmaliges, unglaubliches Erlebnis, mich in eine längst verschwundene Welt eintauchen zu lassen?
© Franz Öfner 2020-04-04