von Berta-Dickens
Der Frühling war bereits in Hochform. Auch wenn es heißt: „April, April, er macht das, was er will.“ Der Regen blieb trotz Wettervorhersage aus. Es hatte morgens leicht genieselt. Im Garten wuchs das Gras mit den Gänseblümchen und den Butterblumen, als wären sie im Wettbewerb. Überall zirpste und brummte es vor Insekten. Die Zwergkirsche machte sich auf ihre Blüte voranzutreiben. Frau Himmeldorf saß auf ihrem „Pausenplatz“, so nannte sie ihre Gartenbank, und sah dem Treiben zu. Sie erfreute sich der ganzen Blütenpracht. Die Tulipa humilis, auch als Zwergtulpen bezeichnet, ließen ein besonderes Lächeln über ihr sonnengegerbtes Gesicht huschen. „Ach ja, was würde Heinrich wohl sagen….“ seufzte sie vor sich hin. Sie blickte in den blau weißen Himmel, als erwartete sie eine Antwort. Heinrich lag nun bereits das zweite Jahr auf dem Friedhof, sie versuchte täglich an seinem Grab vorbeizuschauen. Es fiel ihr alles nicht leicht, vor allem die Gartenarbeit war sehr anstrengend. Sie hatte sich bereits einen Mähroboter angeschafft, dieser hatte aber noch Pause. Und außerdem hatte sie extra ein Areal für Wildblumen anlegen lassen, wo der Mäher nicht mäht. Denn die Bienen und Insekten sollten auch davon etwas haben, gemäß Heinrich’s Motto: Alles im Einklang mit der Natur.
Die Sonne schien durch den großen Walnussbaum mit einem Sonnenstrahl auf ihr Blumenbeet. Heinrich hatte das Beet komplett umgestaltet, sodass jetzt die Tulpen im Mittelpunkt standen. Alles duftete in ihrem Garten nach Anfang, auch wenn der Garten ohne Heinrich irgendwie ruhiger wirkte. Natürlich fehlten seine Sprüche. Heinrich ging mit seiner Ironie immer vorneweg durchs Leben. Die Tulpen reckten sich jeden Tag höher hinaus, als riefen sie zu ihr herüber: „Sei nicht traurig, schau wir sind für Dich da!“ Frau Himmeldorf überlegte, nächstes Jahr noch mehr Tulpen zu pflanzen, vielleicht kann sie dann Heinrich ein Tulpenmeer vorbeibringen.
Eine kleine Kinderkrippengruppe lief mit ihren Erzieherinnen vorbei und blieb am Gartentor stehen. Die kleinen Steppkes staunten über die vielen verschiedenen Farben der Tulpen. Es war süß anzusehen, wie einige Kinder Daumen nuckelnd, mit weit aufgerissenen Augen, und der anderen Hand auf die Farbenpracht zeigten. Frau Himmeldorf wurde durch den dazwischen liegenden Rosenbusch gar nicht auf ihrer Gartenbank wahrgenommen. Sie genoss das leise Getuschel. Sie stand langsam auf und trat an die Gruppe heran. „Hallo ihr Kleinen, ich habe da was. Soll ich Euch einen Blumenstrauß für Eure Kinderkrippe mitgeben?“ Ein unsicheres Ja erschallte, einige Kinder hüpften aufgeregt auf der Stelle. Diese Unbekümmertheit war für Frau Himmeldorf ein freudiges Erlebnis. Sie schnitt einige Tulpen ab und band sie mit ein wenig Grün zu einem bunten Strauß zusammen. Sie holte aus ihrem Gartenhäuschen noch ein wenig Wickelpapier. Eine Erzieherin wurde ganz rot vor Verlegenheit und sagte: „Ach das ist doch nicht nötig“. „Doch, das ist in Ordnung, Sie stellen die Tulpen in die Vase und die Kinder werden sich an meinen Garten erinnern. Denn Erinnerung ist das was bleibt“. Dabei kullerte ihr eine große Träne die Falten auf ihrem Gesicht folgend, herunter. Im Sonnenlicht blitzte diese Träne wie ein Diamant. Die Erzieherin drückte Frau Himmeldorf innig und die Kinder gingen wild gestikulierend und mit viel „Winke, Winke“ die Straße herunter.
© Berta-Dickens 2025-04-25