von Erich Stöger
Momentan habe ich gerade ziemlich lange Haare. Zumindest für meine Verhältnisse, und muss daher baldigst zum Friseur. Wie es eben so spielt im Leben, stoße ich bei diesem Gedanken auf eine lange zurückliegende Erinnerung. Das große Haus, direkt am Kamp gelegen, beherbergte im Erdgeschoss die Tischlereiwerkstatt des Hausbesitzers und im Obergeschoss einige Untermieter. Auch eine kleine Landwirtschaft gehörte dazu. Nebst unserer Zweizimmerwohnung gab es Untermieter deren Namen wie Huber, Rogner und Steiner mir noch in Erinnerung sind. Mit deren Kindern, da in etwa im gleichen Alter, hatten wir natürlich viel Gemeinsames. Mit einer Ausnahme, die Friseurfamilie Steiner hatte zwei Töchter, die Susi und die Trixi. Deren Alter lag einige Jahre über unserem und dementsprechend waren sie auch körperlich größer. Man sagte mir nach, ich sei bei ihnen der „Hahn im Korb!“ Natürlich hatte ich zu dieser Zeit keinen Schimmer, was diese Aussage bedeutete. Allerdings sagte mir mein Gefühl, dass ich bei den beiden beliebt war. Und ja, das war schon eine angenehme Sache, so manche Vorteile gegenüber den anderen Kindern zu haben. Wenn notwendig beschützt, wenn vorhanden mit Naschereien beschenkt, das waren schon Momente des Glücks, die ich schon damals zu schätzen wusste. Ich war noch sehr jung, als mir der Spitzname Gustav, Kurzform Gustl, zugesprochen wurde. Es war jedenfalls noch vor meiner Schulzeit. Urheber war Herr Steiner, der Friseur. Von ihm stammt nicht nur mein Spitzname, sondern auch der Spruch: „Gustav sattle die Hühner, wir reiten nach Texas, aber nimm die mit den Sporen, die sind besser in der Kurve!“ So wie damals so auch heute ist mir die Bedeutung dieses Spruches nicht klar. Wenn ich jetzt diesen Spruch in meinen Gedanken höre, glaube ich, dass Herr Steiner einen deutschen Hintergrund hatte, da er teilweise einen anderen Dialekt, ich kannte den Ausdruck damals natürlich nicht, sprach. Er sagte „Justav“ oder „Kurwe“ und ähnliches. Aber zurück zum Haareschneiden. Ob der Begriff „Häfenschnitt“ (Häfen ist ein größerer Topf), von diesem herleitete oder doch eher vom „Häfen“ (ist gleich Gefängnis), weiß ich nicht. Einen dementsprechenden Häfen aufgesetzt und rundherum alles weggeschnitten, wie wir in unserer Kindheit vermutet haben, oder ein Kurzhaarschnitt wie die Sträflinge im Gefängnis einen hatten, was wir damals nicht wussten, darüber herrscht Unklarheit. Bis heute! Der wahrscheinlichste Grund, es war der schnellste und billigste Haarschnitt! Für die Ältesten unter uns meist vor Schulbeginn und anderen „Festtagen!“ Tatsache war, dass es keine Ausnahmen unter uns Buben gab. Wir sahen alle gleich aus und es war uns egal. Irgendwann erfolgte der Umzug von Familie Steiner in eine größere Wohnung inklusive Geschäftslokal und einer großen Gartenfläche. Also mussten wir jetzt zum „Friseur gehen“ und wurden nicht mehr zwischen Wohnungstür und Gangfläche „geschert“. Was aber an unserem Haarschnitt nichts änderte. Wie mit den Frisuren der Mädchen umgegangen wurde, weiß ich nicht mehr. Mir ist aber kein Mädchen mit „Häfenschnitt“ in Erinnerung!
Also dann: Gustav sattle die Hühner …. ! Ich tue es und mache mich mit dieser Erinnerung auf zum Friseur.
© Erich Stöger 2023-12-07