Erinnerungen an einen Freund

Story

„Ich bin mir sicher, sie sind bei dir in guten HĂ€nden!“ Mit diesen Worten machte mir vor 25 Jahren Tobias Reiser ein außergewöhnliches Geschenk: 15 Gedichte, die in dem Buch „Auf der Suche nach Verlorenem“ keinen Platz fanden. Es war ein besonderes Dankeschön fĂŒr unsere Zusammenarbeit an der Doku “50 Jahre Salzburger Adventsingen”.

Tobias Reiser war nicht nur in Volksmusikkreisen eine veritable GrĂ¶ĂŸe. Ich lernte ihn im August 1982 kennen. Er gestaltete mit seinem Ensemble im Teatro spettacolo, einem Zirkuszelt, das der MĂŒnchner Regisseur Rolf Bengert im Salzburger Volksgarten aufgeschlagen hatte (siehe: Angst kann nicht trĂ€umen), eine Messe – umringt von Artisten, rotnasigen Clowns und einem Esel, der unbeeindruckt von Gloria und Agnus Dei durch die Manege trabte. FĂŒr unkonventionelle Ideen war der Tobi, wie ihn seine Freunde nannten, immer zu haben.

Mir, der Quereinsteigerin, die durch Rolf Bengert zum Adventsingen gefunden hatte, bot Reiser eine interessante Aufgabe an, die Redaktion aller Publikationen des Vereins “Freunde des Salzburger Adventsingens”, spĂ€ter die Zusammenarbeit bei der JubilĂ€umsdokumentation. Er ĂŒberschĂŒttete mich von Anfang an mit einem Übermaß an Vertrauen, sodass mir nicht die geringste Chance blieb, ihn zu enttĂ€uschen.

Die schwierigste Aufgabe allerdings fĂŒr mich war, seinen Nachruf zu verfassen. Völlig unerwartet starb Tobi mit 53 Jahren am 18. Dezember 1999 an einer Magenperforation. 25 Mal hatte er das Salzburger Adventsingen, das alljĂ€hrlich im Festspielhaus aufgefĂŒhrt wird, sofern nicht Corona dagegen ist, konzipiert und geleitet. Vater Tobi Reiser d. Ä. hatte diese Veranstaltung 1946 ins Leben gerufen, der Sohn zu einem vorweihnachtlichen Oratorium weiterentwickelt. Mit 28 Jahren musste er nach dem Tod seines Vaters ĂŒber Nacht das große Erbe antreten. Tobi nahm die Herausforderung beherzt an und schaffte es – allen Kritikern zum Trotz -, seinen eigenen Weg zu finden.

Aber auch als Komponist, Kopf und Gitarrist des nach ihm benannten Volksmusik-Ensembles machte er sich einen Namen. Zahlreiche Tonaufnahmen halten seine wunderschöne sonore Stimme lebendig. Das lyrische Werk blieb jedoch fast im Verborgenen. Es gibt einen tiefen Einblick in Tobis zerrissene Seele, in unverarbeitete Konflikte mit dem Vater und der Familie, auch in seine Todessehnsucht: “Wenn mich der Tod mit heit’rer Stimme ruft, dann jubiliert in Demut dieses mĂŒde Herz. Verbluten werden Schuld und Schmerz. Ein Kind singt still in Fröhlichkeit.”

Tobi war ein Suchender mit einem riesengroßen Herzen. Viele durften sich an seinen Gedanken, seiner NĂ€he, Freundschaft und Liebe wĂ€rmen. Am 2. Dezember 2021 hĂ€tte er seinen 75. Geburtstag begangen. Pepi Wimmer, einstiger Hiatabua sowie Hackbrettspieler und Gitarrist im Ensemble Tobias Reiser, brachte heuer als Hommage an seinen unvergessenen Wegbegleiter das Buch “Erinnerungen an einen Freund” heraus. Darin sind nun alle Gedichte versammelt.

© 2021-11-29

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