von Laura Krieger
Erlenbach, 2025.
Als ich aus dem Festzelt kam, hob ich den Kopf und füllte meine Lungen mit frischem Sauerstoff. Mein Körper füllte eine leichte Schwere, die sicherlich vom Alkohol kam. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Es war das dritte Augustwochenende, was bedeutet, dass das Erlenbacher Weinfest stattfindet. Plötzlich hörte ich von der Seite ein laut Genuscheltes: „Lilliiiit“. Verwundert blickte ich zur Seite und sah einen Jungen, der höchstens 18 Jahre alt sein konnte. Der Junge trug seine dunklen Haare in einem Dutt, war wesentlich größer als ich und schien ziemlich betrunken zu sein. Ich durchforschte mein Gehirn, woher er mich und ich ihn kennen könnte. Auf einmal schoben sich die Puzzleteile zusammen und es machte Klick. Vor mir stand mein Cousin Lars. Seit einigen Jahren hatten unsere Familien keinen Kontakt mehr, wegen eines Streites, der immer noch nicht geklärt war. Seitdem ging jeder seiner Wege und, obwohl wir in einer kleinen Stadt lebten, liefen wir uns selten bis nie über den Weg. „Eigentlich ist das ein kleines Wunder.“, dachte ich. „Lars, ist alles okay? Bist du ganz alleine hier?“, wandte ich mich direkt an ihn. Suchend blickte ich mich in der kleinen Gasse um. Es war gerammelt voll, aber keiner sah so aus, als würde er nach Lars schauen oder zu ihm gehören. Mein Cousin hatte sich an die Wand gelehnt, um nicht umzufallen. Ich trat näher an ihn ran. „Ich weiß nicht, wo alle hin sind“, murmelte er. „Mal wieder typisch für das Weinfest“, dachte ich, „allzu leicht vergisst man jemanden und am Ende findet man sich nicht mehr.“ Ich brauche an dieser Stelle nicht zu erwähnen, dass das Netz bei so einem Fest völlig unbrauchbar war. „Na komm, ich und Mo wollten sowieso nach Hause fahren. Wir nehmen dich mit und setzen dich bei dir ab.“, schlug ich vor. Kurze Zeit später stand ich mit Lars an der Eingangstür des Hochhauses, in dem er und seine Familie wohnten. Mo war weiter zu uns nach Hause gefahren und ich würde später laufen, weil es ein Katzensprung für mich war. „Ich brauche deinen Schlüssel!“, sagte ich und suchte seine Hosentaschen nach einem Schlüssel ab.
„Mama und Papa sind gar nicht da.“
„Was, wieso das denn nicht?“
„Keine Ahnung. Hab ich vergessen.“
„Na gut. Dann schauen wir mal, dass wir dich ins Bett bekommen.“ Langsam bugsierte ich Lars in die Wohnung. Sein Körper krampfte und ich wusste instinktiv, dass er sich übergeben musste und zog ihn gerade noch rechtzeitig vor die Toilette. „Puh, Glück gehabt!“, dachte ich verschmitzt lächelnd. Als Nächstes machte ich mich auf die Suche nach einer Wasserflasche, einer Aspirin und einem Eimer. Lars fiel quasi ins Bett und bevor er einschlief, gelang es mir, ihm noch einige Schlucke Wasser, inklusive Aspirin, einzuflößen: „Lillit, bleibst du bei mir?“ „Das kann ich machen!“, flüsterte ich und strich ihm die Haare aus der Stirn. Ich machte es mir neben ihm auf dem Bett gemütlich und Lars kuschelte sich wie früher an mich und war sofort weg.
© Laura Krieger 2021-12-15