Erpressung

DerPrinzvomAlsergrund

von DerPrinzvomAlsergrund

Story

Wir hielten es nicht mehr aus. Ich bin und bleibe ein Landkind, auch wenn ich mittlerweile seit einigen Jahren in Wien lebe. Und so wurde die wochenlange Corona bedingte QuarantĂ€ne langsam wirklich zur Qual. Vorallem, weil meine Freundin und ich uns wirklich brav an alle Vorgaben hielten und das Haus nur noch fĂŒr einen Großeinkauf pro Woche verließen. So saßen wir also mit reinem Gewissen, aber einem immer stĂ€rker werdenden Lagerkoller in unserer nordseitigen Altbauwohnung fest.

Nach acht Wochen Zweisamkeit plötzlich ein Hoffnungsschimmer: Meine pensionierte Tante war bereit, ihr Ferienhaus im Salzkammergut fĂŒr ein Zeit lang zu verlassen. Das war unsere Chance! Nach kurzen Telefonaten war alles klar, wir konnten fĂŒr zumindest zwei Wochen mal raus. WĂŒrden die Einheimischen uns mit Misstrauen begegenen und mit abfĂ€lligen Blicken strafen, weil wir vielleicht den Virus in ihre heile Welt einschleppen wĂŒrden? Ach was, das nehmen wir in Kauf, außerdem waren wir so brav in QuarantĂ€ne, da kann eigentlich nix sein.

Und so bogen wir drei Tage spĂ€ter auf die geschotterte Einfahrt des romantischen HĂ€uschens ein und stellten das Auto mit dem auswertigen Kennzeichen so unauffĂ€llig wie möglich ab. Essen hatten wir genug dabei, unser letzter Einkauf war gerade erst zwei Tage her. Bob Dylan erklang aus meiner Bluetooth-Box und wir streuten Zwiebeln auf den Flammkuchenteig. Es war traumhaft. Als besagte Zwiebeln im Rohr langsam schwarz wurden, fehlte nur noch eins um den Abend perfekt werden zu lassen: Bier. Ich wusste, dass es am Ende des dunklen Kellergangs eine Kiste voller hopfiger Erfrischungen geben musste. Doch der Gang wurde bewacht von einem Ungeheuer. Einem Ungeheuer, dass den ErzĂ€hlungen meiner Freundin nach, zirka die GrĂ¶ĂŸe eines Kleinwagens hatte. In Wirklichkeit war das Monster wohl eher so fĂŒnf Zentimeter groß, wenn es alle acht Beine ausstreckte. Doch das war genug um diesen Teil des Hauses fĂŒr meine Freundin zur Sperrzone werden zu lassen. Wie konnte ich diese UmstĂ€nde zu meinem Vorteil nutzen?

„Wie sehr willst du eigentlich gerade ein Bier?“ fragte ich mit einem schelmischen Grinsen. Nach kurzen, emotionalen Verhandlungen hatte ich erreicht, dass ich bis auf die Bierbeschaffung nichts weiter zum Haushalt beitragen musste. Mit meinem achtbeinigen Freund im Untergeschoss hatte ich einen mĂ€chtigen VerbĂŒndeten gefunden. So sehr ich diese neu gewonnene Macht auch genoss, war es doch irgendwann an der Zeit, dieses grausame Regime zu beenden. Außerdem koche ich eigentlich recht gerne. Also ging ich schweren Herzens nach unten um Sepp (so hatte ich das Spinnenmonster getauft) einzufangen und in die Freiheit zu entlassen. Da bemerkte ich das UnglĂŒck. Sepp war tot! Wahrscheinlich schon seit Wochen. Warum hatte es uns nicht misstrauisch gemacht, dass er sich niemals vom Fleck bewegte? Nichtsdestotrotz umfasste ich ihn sanft mit einem Tuch und setzte ihn draußen auf einem Blatt ab. Vielleicht schlief er ja nur.

© DerPrinzvomAlsergrund 2020-05-13