von Neo
Sonntag der 1. Advent. Ich saß vor unserem lodernden Kamin auf der mit Kissen bestückten Fensterbank und schaute den Schneeflocken auf der anderen Seite der Scheibe zu, wie sie im rauschenden Wind tanzten. Es hatte sich ein richtiger Sturm zusammengebraut. Die Äste der Bäume an den Straßen wehten im Wind und versuchten sich krampfhaft dort zu halten, wo sie waren. Bei den Schneeflocken allerdings sah es so leicht aus. Als ob sie diese fremde Macht bemerkten, verstanden und schließlich ihren Rhythmus anpassten, um ihren Weg lächelnd weiter zu gehen. Ich hörte den rauschenden Wind draußen und den knisternden Kamin hinter mir, sah die dampfenden Schwaden meiner Teetasse und spürte die kuschelige Wärme der Decke und der Kissen. Diesen Moment ließ ich einfach auf mich wirken und genoss die vorweihnachtliche Ruhe und die Besinnlichkeit, die ich in diesem Moment ganz deutlich spüren konnte. Weihnachten war mein Lieblingsfest, wobei ich die Zeit davor wohl noch mehr genoss. Das Fest an sich und die Bedeutung, die es für die meisten Menschen hat, spielte schon viel früher. Es lag in dem Duft von herrlichem Gebäck und in dem Klang der Melodien, die sich jedes Jahr wiederholten. In den gemeinsamen Momenten, die man davor sammeln konnte. Heiligabend ist sozusagen die Kirschen auf dem Sahnehaufen. Der krönende Abschluss. In diesem Moment hörte ich das Klingeln der Türklingel und erhob mich aus meinem Fleckchen der Besinnlichkeit. Meine Eltern genossen gerade Kaffee und Plätzchen bei unseren Nachbarn und Freunden. Ich konnte nicht mit, weil ich meine Zeit schon anders verplant hatte. Den heutigen Tag verbrachte ich mit meinen zwei besten Freundinnen Alice und Luna. Als ich an der Tür ankam, vernahm ich schon die klagenden Stimmen und öffnete lächelnd die Tür. Luna stürmte als Erste herein. Sie tropfte den kompletten Flur voll, als sie ihre Jacke und Schuhe auszog und der Schnee schmolz. Auch Schal, Mütze und Handschuhe legte sie ab. Mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick musterte sie mich aus ihren blauen Augen. „Du hast zu lange gebraucht!“, jammerte sie: „Vor deiner Tür tobt ein Schneesturm. Der hat uns voll erwischt“. Alice trat nach ihr ins Haus und legte ihre Klamotten neben die von Luna. „Sei mal nicht so dramatisch. Der Sturm hatte uns doch schon bei den ersten Schritten komplett durchnässt“, lachte sie. Luna verzog ihren Mund, doch grinste wenig später auch. Dann seufzte sie: „Bei diesem Wetter können wir doch auf keinen Weihnachtsmarkt!“. „Wir wollten doch sowie erst Plätzchen backen. Vielleicht hat sich der Sturm bis heute Abend gelegt“, munterte ich sie auf. Alice stimmte mir zu. Zuerst betrachtete Luna mit einem skeptischen Blick das Wetter draußen, durch die Glasscheibe in der Tür. Schließlich gab sie nach und nickte: „Daran glaube ich zwar nicht, aber wir werden sehen. Jetzt lasst uns backen. Ich hab Hunger!“. Luna zog Alice und mich mit in die Küche und durchsuchte die Schränke nach den Zutaten. Ich räusperte mich und Alice neben mir kicherte. Luna drehte sich zu uns um. „Was ist los?“, wollte sie wissen. Ich trat einen Schritt zur Seite und offenbarte die bereits bereitgestellten Lebensmittel. „Nächstes Mal musst du etwas besser hinschauen“, kicherte Alice. Luna verdrehte bloß ihre Augen. Ich band mir meine braunen Haare zusammen. Als auch Luna ihre blonden Wellen gebändigt hatte, klatschte ich in die Hände. „Dann lasst uns anfangen!“.
© Neo 2023-12-12