Ich befand mich in einem Flughafen in Amerika und wollte zurück nach Hause fliegen. Ein Mann in Uniform – vielleicht ein Kontrolleur oder ein Kartenverkäufer – kam auf mich zu und fragte mich in einem aufdringlichen Ton, wo mein Flugticket sei. Ich geriet in Panik und suchte verzweifelt in meinem Rucksack nach dem Ticket, aber er war leer, bis auf fünf leere Briefumschläge und einer Streichholzschachtel, die so winzig war, dass nichts hineinpassen könnte. Der Mann wurde wütend und wollte mich am Kragen packen und aus dem Flughafen werfen, als meine Gotte zu mir kam und die Streichholzschachtel aus meinem Rucksack holte. Sie öffnete die Schachtel. Darin befand sich ein Stück Papier, das unendlich klein zu sein schien. Sie entfaltete das Papierchen so um die siebenmal auf und es zeigte sich, dass das Ticket für Flug 102 die ganze Zeit sicher bei mir versteckt war. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Plötzlich war ich wieder in meiner Heimatstadt. Es war Karneval. Konfetti wirbelte überall wie Blätter im Wind herum und an jeder Strasse gab es Vitrinen mit Uniformen aus vergangenen Kriegen. Aber die Hauptattraktion war die Strohpuppe, die die Marzanna darstellen sollte. Doch das Ritual musste abgebrochen werden. Gewalttätige Menschen griffen die Zuschauer an und zerstörten die Vitrinen. Die Besucher wurden panisch und rannten ziellos in alle Richtungen. Dann brachen die Angreifer einer nach dem anderen zusammen. Sie waren mit blauen Rosen auf ihrer Brust bedeckt. Es schien, als ob sie von dieser Pflanze dazu verleitet wurden, diese Gewalttaten zu begehen. Der Aufruhr hörte jedoch nicht auf. Immer mehr Menschen wurden von der Pflanze infiziert und der Kreislauf ging von neuem los. In diesem Moment sprang eine Heuschrecke auf mich. Ich fuchtelte mit den Armen, woraufhin sie mich anspuckte und davon sprang. Als ich auf meinen linken Handrücken starrte, bemerkte ich, dass sich etwas auf meiner Haut bewegte, also schaute ich genauer hin, aber ich konnte nur einen blauen Fleck sehen. Ich musste meinen Körper durch mein Auge verlassen, bis ich so nah war, dass meine Haarsträhnen wie Bäume aussahen. Und als ich noch näher starrte, sah ich ein Beet mit mikroskopisch kleinen blauen Rosen, die aus meiner Haut heraus ragten. Ausserhalb des Beets wuchsen weitere Rosen, unaufhaltsam und extrem langsam. Ich konnte hören, wie sie sich durch meine Haut nach aussen bohrten. Dann erschienen diese neuen Rosen: gelbe Rosen, rote Rosen, grüne Rosen und violette Rosen. Ich fokussierte meinen Blick auf diese Rosen bis ich die Formen der Rosenblätter erkennen konnte. Sie waren dreieckig, nein, sie waren tetraedrisch. Sie dehnten sich aus und zogen sich wieder zusammen. Ich fürchtete mich vor ihrer Vollkommenheit und wich von dem überwuchernden Garten zurück. Mir kam es so vor als ob die Zeit immer langsamer wurde. Diese seltsamen Pflanzen würden schon bald meine ganze Hand bedecken. Am liebsten wollte ich ein Rasiermesser nehmen und sie abschneiden. Notfalls würde ich sogar meine ganze Hand abhacken und so weit wie möglich wegwerfen. Mach es weg! Ich will es weg haben!
© Philemon Niedermann 2024-09-04