von S. Pomej
Mein erstes Date mit einem Kommilitonen! Dabei saĂen wir erst zweimal nebeneinander im ĂŒberfĂŒllten Hörsaal. Zwei von insgesamt mindestens 800 Sardinen, doch er riecht nicht nach Fisch, sondern nach Davidoff Cool Water – HMMM! Durch seine gerahmte Brille sehen mich zwei hellblaue Augen an, so klar wie ein Bergsee im Sonnenlicht. Was soll ich anziehen? Ich stehe zirka zwei Stunden vor dem Kleiderschrank und probiere alles an, was mir fĂŒr solch eine Gelegenheit passend erscheint. Es muss was Rotes sein, die Farbe der Liebe. Dann frisiere ich mich noch zwei weitere Stunden, fĂŒr die Stunden zu zweit! Was mir dabei alles durch den Kopf geht, ist nicht spruchreif, doch werde ich mich nicht zu einem One-Night-Stand hinreissen lassen, obwohl ich ihn hinreissend finde, haha! MĂ€nner muss man zappeln lassen! Eigentlich hatte ich fĂŒr den Abend einen Theaterbesuch geplant, auf Einladung meiner Tante, doch der sag ich ab, was sie sogar versteht und mir viel GlĂŒck wĂŒnscht. Der smarte Typ schien mir superintelligent zu sein, fĂŒr einen Nerd aber zu gut aussehend. Immer Tipp-Topp gekleidet, das Cabrio glĂ€nzte mit seinen Augen um die Wette, wenn er nach der Vorlesung einstieg und davonbrauste, der Sohn aus gutem Hause.
Endlich ist es soweit, wir sitzen in einem teuren französischen Restaurant, prosten uns mit Schampus zu und praktizieren den ĂŒblichen Small Talk: Er beschwert sich, dass er hier so schwer einen Parkplatz finden konnte, dass er auf seiner Wochenend-Tour nach Bayern die Leitschiene gekĂŒsst und einige Kratzer im Lack abbekommen hĂ€tte. Ich reagiere entsetzt, irre mit meinen Fingern im ĂŒberschminkten Gesicht herum, um meine Angst um ihn besser zu versinnbildlichen. Dann bringt die Kellnerin unser Essen. Er beschwert sich, dass sie zu den Schnecken das gebĂ€hte Brot vergessen hat. Fast noch mehr als ĂŒber seine Kratzer im Lack. Ich merke, dass meine Crepes Suzette nicht ganz aufgetaut sind, beschwere mich jedoch nicht, weil ich denke, es macht keinen guten Eindruck fĂŒr eine junge Dame, sich gleich beim 1. Date zu beschweren. Wir mampfen im selben Takt, unsre Backen bewegen sich als wĂ€ren sie von kleinen Tieren bewohnt, die nach drauĂen drĂ€ngen.
Da plötzlich – ganz unvermittelt und fĂŒr mich unverstĂ€ndlich – lĂ€sst er einen Satz los: âWenn du mit mir zusammen sein willst, musst du liefern!â
HĂH??? Ich glaube, mich verhört zu haben, mache unwillkĂŒrlich ein selten blödes Gesicht, verstehe gar nicht, was er eigentlich meint, denn eine Pizza wird er wohl nicht gewollt haben. Jetzt erst erkenne ich schlagartig: Der Kerl hat die durchdringenden Augen eines Psychopathen und ich bin auf sein GesĂŒlze reingefallen, oder auch auf seine groĂmĂ€nnische Art, oder sein CabrioâŠ
âWann sehen wir uns wieder?â, fragt er spĂ€ter.
âAh ja, du hast ja noch gar nicht meine Telefonnummer!â Schnell nestle ich mein Notizbuch & Kuli aus der Handtasche, reiĂe ein Blatt raus und schreibe ihm hastig die Nummer der Telefonseelsorge auf. Zum GlĂŒck sah ich ihn nie wieder!
© S. Pomej 2021-06-18