Ertrinken

Mia Steinmann

von Mia Steinmann

Story

Dieses Gefühl zu ersticken, weil man etwas nicht geschafft hat.

Dieses Gefühl zu viel zu denken, weil man etwas nicht gemacht hat.

Dieses Gefühl zu wissen, dass man etwas falsch gemacht hat.

Dieses Gefühl zu ertrinken.

Sich ständig vorzuwerfen, dass man genug Zeit hatte, dass man egoistisch sei, dass es anders gekommen wäre, für das Leben, für sich selbst. Für die andere Person.

Zu viele Gedanken, zu viele Gefühle, zu viel hätte zu wenig könnte. Taten aus der Vergangenheit, Fehler aus der Vergangenheit. Taten aus der Gegenwart, Fehler aus der Gegenwart.

Vermeidbar, unnötig, dumm.

Man möchte es wiedergutmachen, doch man kann es nicht.

Man möchte aus Fehlern lernen, doch man schafft es nicht.

Man möchte auf sich stolz sein, doch das geht nicht.

Kein Zeitmanagement, keine Prioritäten, keine Hoffnung.

Hoffnung aus diesem Loch herauszukommen, Hoffnung sich zu retten, doch man ist wie immer nur im Kreis geschwommen.

Bitte Rettungsschwimmer sieh Mich an, ich bin am Ertrinken, rette mich, ich habe keine Kraft mehr, ich habe mich überschätzt, alle haben mich überschätzt, alle haben mich überschätzt. Hilfe, ich bekomme keine Luft, Wasser in meiner Lunge, Husten, Wasser überall Wasser, Hilfe sieht mich denn keiner, Hilfe.

Warum schaut jeder Weg?

Mama bitte ich brauche dich, Mama Hilfe, Mama rede mit mir, sprich mich an, bitte. Ich möchte nicht ertrinken, nicht jetzt, nicht heute, es ist zu früh, ich bin zu jung, Hilfe.

Mama bitte schau mich an, Mama!

Meine Lunge füllt sich mit Wasser, meine Gedanken, noch nie waren sie so still. Wie ein See ist es in meinem Körper, wie ein Meeressturm tobt es in mir.

Ich frage mich nicht mehr, was ich will. Ich frage mich nicht mehr, was ich brauche. Ich bin leer.

Mein Körper wird schwer, meine Gedanken werden leicht.

Ich war Frei.

© Mia Steinmann 2024-12-25

Genres
Anthologien