ES braucht . . .

Eva Filice

von Eva Filice

Story

mehr Feingefühl für Sprache!

ES braucht – als neue Redewendung der Politiker:innen in Österreich und Deutschland. Ich kann ES nicht mehr hören!

Soll „ES braucht“ „man/frau“ braucht vermeiden? WER oder WAS ist ES? Eigentlich sollte an Stelle von ES ein Subjekt (eine handelnde Person oder ein anderes neutrales Nomen) stehen.

Ich biete an, das ES durch deutliche Aussagen zu ersetzen. „ES braucht“ kann durch „es wird benötigt, es ist notwendig, es besteht Bedarf, es ist erforderlich“ ersetzt werden, wobei das ES mit einem Subjekt s.o. benannt werden sollte. Manchmal wäre auch einfach „ich brauche“ oder „wir brauchen“ klarer.

„ES braucht in der Politik mehr Ehrlichkeit“, war unlängst die Aussage einer Politikerin. Wer ist ES? Die Politik (Politiker:in) benötigt mehr Ehrlichkeit, wäre doch klarer. „ES“ klingt so nach Herumgerede.

Hört genau hin, fällt euch das auch auf? Geht ES nur mir auf die Nerven?

Schon länger wird auch Stümmelei an Sätzen betrieben: „Berlin KANN Wahlen“ sagte ein Fernsehreporter am Tag der Berlinwahl. Und was genau KANN Berlin? Wahlen verlieren/gewinnen/planen/durchführen? Das Modalverb KANN verlangt ein Verb im Infinitiv! „Die ÖVP KANN Kanzler“, hieß es vor einiger Zeit. Da wäre zum Modalverb zur Klarstellung ein ergänzendes Verb sehr vonnöten gewesen. Das Ergebnis kennen wir.

Es MACHT Sinn begann vor einigen Jahren durch den Äther zu schwirren. Sinn machen – wie geht das? Ursprünglich „das ergibt Sinn“ oder „es ist sinnvoll“, stand immer in Bezug, WAS sinnvoll ist. Wer erfindet solche Redewendungen? Spindoctors? Was soll uns „verkauft“ werden? Sollen wir verwirrt werden?

VOR Ort, diese Redewendung tauchte vor einigen Jahren gehäuft auf. Es bedeutete „an Ort und Stelle“(eine Stelle, auf die davor Bezug genommen wurde). Ursprünglich kommt diese Bezeichnung aus der Sprache des Bergbaus. Gemeint war damit das Ende des Grubenganges, an der Spitze/am Ende. Plötzlich wurde überall VOR ORT berichtet, obwohl die Reporter:innen sich an einer bestimmten Stelle befanden.

Wörter, geprägt durch die Themen, die aktuell bewegen, finden sich jährlich bei der Festlegung für das Wort des Jahres. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache wählte 2022: Zeitenwende. In Österreich wurde Inflation festgelegt. Das Jugendwort des Jahres findet ebenfalls Niederschlag: In Deutschland: smash (harmlose Liebelei, Bedeutungswandel auch als Adjektiv: wie geplant, super, klass). In Österreich: Jugendwort des Jahres: smash / slay / stabilNatürlich verändert sich Sprache. Sprache lebt, aber manche Wörter verschwinden aus unserem Sprachgebrauch.

Sammeln wir verlorene Wörter, rufen wir sie aus der Versenkung hervor. Meine nächste Geschichte „Federnball und Gänsewein“ holt alte Wörter aus der Schatzkiste hervor.

Kennt ihr Lekwa oder Stiefelknecht? Was macht ein Tafeldecker, ein Stiefelknecht? Kann ich Hasenbrot und eine Grundbirn essen? Passt ein Scheiterhaufen in unsere Gesellschaft? Muff? Hotter?

© Eva Filice 2023-02-24

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