von Bernd Schreiber
‘Einer geht noch’ zur Skireise in der 10. Klasse nach Gerlos in die ‘Kühle Rast’.
Benno und ich wohnten im 2. Stock. Es fiel uns auf, dass irgendwas im Zimmer leise vor sich hin quatschte. Die Stimmen kamen eindeutig aus dem Fußboden. Wir nahmen den Läufer beiseite und zwischen den Holzdielen konnte man durch einen Spalt das Gequatsche unserer Klassenkameraden hören. Was wir nicht brauchten, also Läufer schnell wieder drüber.
An einem der nächsten Tage, wir waren gerade verletzungsfrei vom Skikurs zurück, als wir auf dem Vordach unter uns im 1. Stock eine Salami entdeckten. Sie gehörte Pmü (Peter Müller), der sie vor seinem Fenster zur Kühlung deponiert hatte. Na, wer macht denn sowas, wie provokant, zumal wir in dem Alter immer Hunger hatten (ein Zustand, der bei mir übrigens bis heute anhält). Wir sahen es auch als eine – heute sagt man – Challenge, eine Art Prüfung für uns.
Wir berieten. Man hätte einen Skistock holen und versuchen können, die Salami aus dem Fenster lehnend aufzuspießen, aber irgendwie kam uns das blöd vor. Dann die Idee: Man könnte eine Skisocke neben die Wurst fallen lassen. Ich würde runtergehen, sagen, dass ich meinen Strumpf vom Vordach holen muss, draußen die Salami Benno hochreichen und mit der Socke durch das feindliche Zimmer wieder raus.
Die Gefahr war, dass unten einer selbst das Fenster öffnete und den Strumpf hoch gab. Sie war zwar gering, weil freundliche Gesten untereinander nicht üblich waren, aber wir konnten die Gefahr rhetorisch sogar minimieren. Den Läufer weg und durch den Sprechschlitz: „Uns is ne Socke auf euer Vordach gefallen, kann mal jemand raus und die hochgeben?“ „Die kannste dir selber holen“, war die erhofft pampige Antwort.
Ich runter durch deren Zimmer, die lagen alle abgeschlafft auf ihren Betten, reichte draußen Benno die Salami hoch und ging mit meiner Beweissocke wieder raus. Sieg!
Die Wurst sah herrlich aus, war schon angeschnitten, von daher würde er es gar nicht merken, wenn wir sie um ein Scheibchen kürzten. Also im Sinne einer guten dicken Scheibe. Oh, was war die herrlich. Ich mach’s kurz, so kurz, wie die Wurst zum Schluss aussah. Ein trauriger Zipfel Rest blieb. Es war ziemlich klar, er würde es merken. Egal, wir ließen den Salamizipfel wieder auf das Vordach fallen.
Irgendwann später kam der zu erwartende, markerschütternde Schrei von unten. Wir natürlich sofort mit den Ohren auf die Dielen, um in erster Reihe dabei zu sein. Pmü beschuldigte in Rage jeden seiner Stubenkollegen, er hätte seine Wurscht jefressen. Die wehrten sich, dann grübelten sie bis einer sagte: „Der Schreibs war doch vorhin da, angeblich wegen seiner Socke.“ Versenkt! Gerade noch rechtzeitig konnten wir von innen verriegeln, toter Käfer spielen und Pmü’s Gehämmere an die Tür leerlaufen lassen.
Wir wissen nicht mehr, wie er sich beruhigt hat. Wahrscheinlich haben Germknödel, Almdudler oder Ähnliches als Wiedergutmachung von uns ihn besänftigt, jedenfalls war er uns irgendwann nicht mehr bös.
© Bernd Schreiber 2023-02-04