„Es geht um Rose Scott.“ (3)

Die totale Eskalation erfolgte nach den Sommerferien, als Rose mit einem blauen Auge zur Schule kam und Charlie Himmel und Hölle zusammenbrüllte. Sie schrie ihren ganzen Frust, der sich in ihr und mir aufgestaut hatte, heraus. Sie schleuderte Rose unsere Sorgen und unsere Angst um sie, Charlies Outing und unsere Vorwürfe direkt ins Gesicht, vor allen anderen. Während Charlies Höllenpredigt hatten Rose und ich sämtliche Emotionen durchlebt. Wir weinten, wir zitterten, versuchten Charlie zu beruhigen und standen am Ende nur noch stumm dar.

„Mein Vater schlägt mich“, hatte Rose dann irgendwann in die Totenstille geflüstert, das Gesicht tränenüberströmt. Sie hatte sich dann noch leiser entschuldigt und war gegangen. Noch am selben Tag war sie vom Dach der Schule gesprungen.

Es war wie ein Déjà-vu. Charlie und ich lagen uns erneut in den Haaren, während wir Rose für eine lange Zeit nicht erreichen konnten. Wieder und wieder zerbrachen wir an den Vorwürfen, die wir uns selber und gegenseitig machten. Das Ganze dauerte monatelang an, bis wir uns schworen, für immer zusammenzuhalten. Das Schuljahr näherte sich dem Ende und Rose kam immer noch nicht aus dem Krankenhaus. Wir besuchten sie hin und wieder, sprachen mit ihr, näherten uns langsam wieder an. Wir schalteten das Jugendamt ein. Suchten für Rose einen Therapeuten. Sprachen uns aus. Entschuldigten uns untereinander.

Das Abschlussjahr traten wir dann wieder gemeinsam an. Uns allen ging es wieder besser und es war wieder wie früher. Rose hatte eine Pflegefamilie und besuchte regelmäßig die Therapie. Charlie traute sich, ihren Look zu verändern und begann, zu daten. Ich bekam eine Zusage für mein duales Kunststudium.

Doch der leuchtende Glaspalast, in dem unser Freundschaftsband lebte, wurde durch eine Steinlawine zerstört. Denn Rose musste wiederholen, was sie erneut aus dem Leben riss. All das, was wir uns zu dritt wieder aufgebaut hatten, zerbrach an drei Sätzen.

„Es war schön mit euch wieder lachen zu können und zusammen zu sein. Aber wir alle verdienen diese Freundschaft nicht mehr. Ich will euch nie wiedersehen.“