Es gibt nur EINE Liebe

Veronika Wlasaty

von Veronika Wlasaty

Story

Dies ist eine Geschichte über die Liebe. Genauer gesagt über die Erkenntnis der EINEN Liebe. Und das kam so.

Vor einiger Zeit wurde mein gerade einmal drei Jahre alter Kater Lorenzo von einem Auto erfasst. Während der Fahrt zur Tierärztin, die ihm die erlösende Injektion gab, hielt ich ihn voll Dankbarkeit dafür, dass er unser Leben dermaßen verschönert und bereichert hatte, und hoffte auf ein Wunder. Bei dem Gedanken, ihn nun gehen zu lassen, wurde mir ganz weh ums Herz. Ich, die ich geglaubt hatte, mit dem Tod als Teil unseres irdischen Seins im Reinen zu sein, wurde von einer Trauer erfasst, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Sie mischte sich mit irrationalen Schuldgefühlen, dass ich ihn zu wenig beschützt, ihm das Queren der Straße nicht abtrainiert hatte.

Nichts von dem, was ich wusste, z. B. dass Tiere kein „Verhältnis“ zum Tod pflegen, wie wir Menschen, und ausschließlich im gegenwärtigen Moment leben, half mir über diesen Verlust hinweg. Ich liebte diesen Kater – mehr wäre nicht möglich gewesen. Ein Gefühl, dass ich als – aus pragmatischen Gründen – jahrzehntelange Haustierverweigerin nicht gekannt hatte.

Nun fragte ich mich, ob ich nicht überzogen reagierte. Ob die Trauer, die ich empfand, angemessen war. War dieses schmerzliche Gefühl von irgendjemand, der nicht ähnlich tickte, überhaupt nachvollziehbar? Lorenzo war schließlich „nur“ eine Katze.

Für Liebe gibt es keine Maßeinheit. Wer oder was könnte festlegen, welches Maß an Liebe für ein Lebewesen angebracht wäre? Dass es bei jeder Trauer mehr um den Trauernden selbst geht als um den Betrauerten, ist zwar meist bewusst, doch nicht schmerzmindernd. Der Mensch beklagt sich und seinen Verlust, sowie ein Phänomen, das uns alle betrifft: unsere irdische Endlichkeit, die uns der Tod eines Geliebten – ob nun Mensch oder Tier – vor Augen führt. Die Frage, ob man diese beiden in einem Atemzug nennen dürfe, wird doch der Tod eines Menschen, als evolutionär höchst entwickeltes Lebewesen, in der Regel als weitaus schlimmer bewertet, diese Frage stellt sich für mich nicht mehr.

Lorenzos Tod bescherte mir eine Erkenntnis: Die Schöpfung kennt nur eine Liebe. Es ist dieselbe Liebe, die sich in allen irdischen Erscheinungsformen offenbart. Gott wertet seine Schöpfung nicht nach unterschiedlichen Kriterien. Gott ist Schöpfung. Menschliche Liebe und alle damit einhergehenden Emotionen wie Zuneigung, Schmerz, Eifersucht… hat unser Denken, Bewerten und Urteilen hervorgebracht.

Diese Erkenntnis kann ich getrost unbewertet so stehen lassen. Denn auch die menschliche Liebe, die in unseren Augen oft närrische Formen annimmt, ist in dieser göttlichen All-Liebe beheimatet. Im letzten (Ur)Grund gibt es nur EINE Liebe. Sie zeigt sich, wie sie will. Auch in der Trauer um eine Katze.

© Veronika Wlasaty 2021-04-04