von Annika Herda
Familienstand: ledig
Beziehungsstatus: mein zukünftiger Mann verpasst gerade die besten Jahre meiner Brüste
Es ist albern, aber mein Familienstand erfüllt mich immer mit ein wenig stolz. Als wäre die Tatsache, dass ich noch keine Beziehung lange genug halten konnte, dass man sie auf Papier verewigt, etwas, womit ich mich brüsten könnte. Dennoch schleichen sich Gedanken ein, die so oder so ähnlich klingen: „Ha, ich hab es noch nicht verkackt“. Es ist eigentlich schade, dass ich so denke. Impliziert es, dass ich scheinbar nicht an lebenslanges Liebesglück glaube. Realismus hinsichtlich Scheidungsraten und dennoch hoffnungslose Romantikerin zu sein, entpuppt sich als denkbar ungünstige Kombination.
Mit lächerlicher Arroganz komme ich mir vor, als wäre ich mit meinem Familienstand so etwas wie Neuware. Ungebraucht, noch in Folie verschweißt, ohne Vorbelastung. Quasi jungfräulich.
Außerdem kann ich mich so der Illusion hingeben, dass ich ja noch sooo jung bin und alle Zeit der Welt habe. Habe ich ja auch. Mir scheinen gesellschaftliche Konventionen aber ständig ins Ohr zu brüllen, dass ich auf den besten Weg bin, die peinliche Tante mit dem Alkohol-Problem zu werden. Die, neben der man bei Familienfeiern nicht sitzen möchte, weil sie unweigerlich ihren Wein irgendwann verschüttet und alle beschämt wegschauen, wenn der Kellner betreten an den Tisch kommt und mitteilt, dass sich andere Gäste im Restaurant über die lautstarken männerfeindlichen Kommentare beschwert haben.
Es ist Unsinn. Gegen Gefühle kann man aber nichts machen #sorrynotsorry
Dem Familienstand steht der Beziehungsstatus gegenüber. Ich bin single. Schon seit einer Weile und dennoch kickt die Erkenntnis erst jetzt. Eine richtige Realitätsklatsche, wenn man so will. Es ist nämlich das erste Mal so, dass nach der Aussage „ich bin single“ kein Beistrich oder eine Erklärung folgt. Ich bin’s einfach – Punkt.
Sicher, wie jedes andere Herdentier, habe ich das Prinzip der Anpassungsfähigkeit intus. Theoretisch könnte ich mir den nächsten Mann angeln und Instagram mit Fotos zumüllen #couplegoals. Ein Backup war bisher immer rasch organisiert. Ging eine Beziehung in die Brüche, habe ich mich sofort in das nächste Abenteuer gestürzt. Hat mich ein Typ enttäuscht, hieß es direkt „Gleich wieder in den Sattel steigen“.
Der Autor Michael Nast nennt Menschen meiner Altersklasse flapsig „Generation beziehungsunfähig“. Ok, Boomer! Aber können wir wirklich etwas dafür?
In Zeiten in denen„Ghosting“, „Orbiting“, „Zombieing“ (Nicht-Millenials bitte an dieser Stelle googeln) dank digitaler Helferlein ganz normal geworden ist, überrascht es wenig, dass eine Generation bindungsunfähiger Emotions-Leghasteniker heranwächst. Mich eingeschlossen.
Möglicherweise ist es auch nur ein Wahrnehmungsproblem. Man kennt ja nur die Bubble in der man sich selbst gerade aufhält.
Mein aktueller Beziehungsstatus? Ich bin kompliziert.
© Annika Herda 2022-09-21