es ist nicht alles immer rosarot.

Rabea Richter

von Rabea Richter

Story

Die Sonne wirft ihr schales Licht in mein Zimmer. Ich habe die Vorhänge offen gelassen über Nacht, da ich mich sonst abgeschottet fühle. Ich möchte aufstehen, doch meine Muskeln sind schwer, drücken mich zurück in die Decke wollen mich nicht aufstehen lassen. Ich weiß, heute ist kein guter Tag. Ich schaue auf mein Handy, zwei Nachrichten, ich ignoriere sie. Mein Magen ist verkrampft, mein Kopf tut weh, meine Augen füllen sich mit Tränen. Der Staudamm bricht langsam, die ersten Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wimpern auf meine Wangen, hinunter bis zu meinem Kinn. Ich kann nichts dagegen tun, nichts denken, nichts sagen, was es verhindern könnte. Ich höre Musik. Musik, die mich auf dieser Gefühlswelle trägt, die mich versteht und die mich nicht loslässt. Ich habe nichts geplant, ich will sowieso niemanden sehen, niemandem schreiben, niemanden hören. Das Gefühl bäumt sich immer wieder in mir auf, wie ein Sturm, der von anfänglichen Böen anwächst zu einem Tornado. Er lässt meine Adern gefrieren, mein Blut dickflüssig werden und meine Muskeln verhärten. Ich höre Lied um Lied aus meiner traurigen Playlist, die ich extra für solche Momente zusammengestellt habe. Ich fühle mich durch die Lieder da aufgefangen, wo Worte versagen würden. Nach einer Weile ringe ich mich dazu durch, mir einen Rucksack zu packen, mich auf das Fahrrad zu schwingen, um das Gefühl zu bekämpfen, das mich schon den ganzen Tag begleitet. Vielleicht bekämpfe ich es auch nicht, vielleicht möchte ich es eher umarmen. Der Wind, die Sonne, die Bewegung tun mir gut, tauen mich auf und entkrampfen mein Herz. Ich fahre den Weg entlang, den Abhang empor, überquere die kleine Brücke, fahre den steinigen Weg entlang und finde endlich eine kleine Stelle, versteckt zwischen mehreren Büschen. Ich breite mein Tuch und meine Sachen um mich auf, stecke mir die Kopfhörer wieder in die Ohren und schaue in die Sonne, die über den Hügeln hängt. Es ist wunderschön, die Luft und der Ort tun mir gut. Ich lasse den Eindruck auf mich wirken. Mein Herz ist nun nicht mehr ganz so schwer, meine Adern aufgewärmt, die Muskeln weicher. Ich lasse meinen Gedanken und Tränen nun freien Lauf, umarme mich selbst und umarme den Moment. Ich leiste mir selbst Gesellschaft für mehrere Stunden, bis die Sonne langsam schwindet, die Luft kälter wird und ich fröstele. Dann packe ich alles wieder ein, fahre den gleichen Weg wieder zurück und halte noch einen Moment inne, als ich den Feuerball am Himmel in Rekordgeschwindigkeit über der Himmelskuppe verschwinden sehe. „Danke“, flüstere ich mir selbst zu. Ich habe das Beste aus diesem Tag gemacht, das Beste aus diesem Gefühl. Die Gänsehaut überzieht meinen Körper, die Tränen trocknen langsam auf meinen Wangen. Sie kehren zurück, als ich wieder im Bett liege, doch das ist okay. Sie können fließen und niemand wird sie wegwischen, peinlich berührt, als wäre es nicht in Ordnung, wenn man weint. Doch es ist okay. Das Gefühl ist da und es muss gespürt werden, sonst bleibt es. Einsamkeit. Einsamkeit, die kommt und geht wie sie will, die sich nicht ankündigt und die sich nicht bändigen lässt. Einsamkeit, die auch kommt, obwohl ich weiß, dass ich viele wundervolle Menschen in meinem Leben habe. Einsamkeit, die dennoch da ist, die sich nicht ersetzen lässt und die auch gesund sein kann, da man ihre Abwesenheit zu schätzen lernt. Und die Gedanken können frei sein und die Seele reinigt sich.

© Rabea Richter 2023-09-09

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Reflektierend, Traurig
Hashtags