ES LEBE DER ZENTRALFRIEDHOF!

Margaretha Husek

von Margaretha Husek

Story

Ich finde Friedhöfe sehr beruhigend. Sie haben fast einen meditativen Charakter, besonders abends, wenn die Lichter in der Dunkelheit leuchten. Friedhöfe sind wunderbare Stätten der Erholung, sei es wegen der Natur, sei es wegen der schönen alten Grabmonumente. Warum sollte man das Areal nur den Toten überlassen? Die sind nichts Besseres als wir Lebende, nur halt schon tot. Vor allem will ich die Grabinschriften lesen, da findet man so manch humorvolles Gustostückerl. Sie zeigen, wie viel Liebe, Fürsorge und Zärtlichkeit dort ganz genauso begraben sind wie Boshaftigkeit, Lüge und Gewalttätigkeit.

Man kann über schlechten Geschmack darüber lachen, wie man auch über einen balkanischen Marmorprunkbau in Schwarz am Zentralfriedhof staunt. Beim letzten Spaziergang ist mir die„Balkan-Abteilung“ aufgefallen, die Gestaltung ist äußerst eigenwillig. Ganze Clans und ihre früh verstorbenen Mitglieder? Für die Nachwelt wurde eine Sitzgruppe gebaut, damit man auf der Grabplatte oder neben dem Grab während der Besuche jausnen kann. Die Balkanfraktion fährt tatsächlich mit dem Auto in den Friedhof hinein, macht den Kofferraum auf, nimmt den Proviant heraus und isst gemütlich beim Grab. Erstaunlich. Ist aber cool. Nette Tradition.

Ein Friedhofsmitarbeiter erzählt von den pompösen Sinti-Roma-Gräbern, in denen ganze Sammlungen von Schweizer Uhren und Geldscheinen versenkt wurden.

Eine schöne Leiche ist ein prunkvolles Begräbnis, bevorzugt mit vielen Menschen und einem üppigen Leichenschmaus. Nein, da wird nicht die Leiche gegessen, sondern ein Festmahl zu Ehren des Toten gegeben.

Ja, der Tod ist eine traurige Sache. Ich war überrascht, dass bei der letzten Ruhestätte Beethovens und dem praktischerweise daneben stehenden Denkmal Mozarts – er liegt angeblich auf dem St. Marxer Friedhof – immer wieder Briefe an die Komponisten liegen. Sie werden sogar von der Post ausgeliefert. Adresse: Central Cemetery, Vienna. Aber eine Hetz gehört halt auch dazu. Das hat vor einiger Zeit auch die Verwaltung der 330.000 Gräbern und an die drei Millionen Toten erkannt.

Die Bestattung Wien setzt neben touristischen Zugeständnissen wie dem Hotspot mit den Ehrengräbern nun auch auf kulinarische Genüsse. Vor zwei Jahren eröffnete wohl unter dem Motto von Johann Sebastian Bachs Klassiker „Komm, süßer Tod“ auf dem Friedhof die Kurkonditorei Oberlaa. Eine bekannte Schokoladenmanufaktur erzeugt friedhof-taugliche Süßigkeiten: „Einebeißn statt a Bankl reißn.“

Für die Jogger gibt es T-Shirts mit Aufschriften wie „Das letzte Hemd“ oder „We put the fun in funeral“. Aktuell kann die Bestattung Wien mit einer MNS-Maske begeistern: „Corona leugnen sichert Arbeitsplätze.“ Nämlich die ihren.

Dass man es auf dem Wiener Zentralfriedhof auch lustig haben kann, wusste Wolfgang Ambros schon 1975.

© Margaretha Husek 2020-11-02

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