es stinkt

Sabine Höller

von Sabine Höller

Story

Es stinkt. Ich schnuppere in der Wohnung herum und finde die Quelle nicht. Vielleicht sind es kaputte Rohre. Oder der Tiefdruck.

Ich sitze auf der Couch und facetime mit meiner Schwester. Ich höre ein komisches Geräusch in der Wohnzimmerwand. Wahrscheinlich rinnt gerade die ganze Scheiße durch die Wand, sagt sie. Ich warte, dass das Wohnzimmer explodiert. Passiert erst mal nicht.

Ich mache Kaffee. Übertönt den Geruch kurz, aber nicht lange.

Ich sperre den Geruch im Bad ein. Hilft gut. Solange man nicht ins Bad geht.

Ich frage den Papa, der aus der Ferne auch nicht sagen kann, was los ist.

Stinken und stinken lassen, sagt die Mama.

Ich überlege das Bad auseinanderzubauen. Was keine gute Idee ist, weil ich keine Ahnung hab von Bädern und Rohren und Wasser und Abfluss.

Ich schalte die Lüftung im Bad ein. Hilft sehr gut. Solange man die Lüftung nicht abdreht.

Ist aber zu laut in der Nacht. Schalte sie wieder ab.

Am nächsten Tag stinkt es immer noch. Der Tiefdruck dauert doch nicht so lange, oder?

Ich sollte vielleicht die Badezimmertür offen lassen, damit sich der Geruch verteilt und damit verdünnt, sagt meine Schwester.

Der Papa kann jetzt aus der Ferne auch nix dazu sagen.

Gestank ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt, sagt die Mama.

Die Tür bleibt offen. Am nächsten Tag stinkt es nur mehr ein bisschen, dafür überall.

Ich halte den Geruch nicht mehr aus. Ich ignoriere ihn ab jetzt.

Der Geruch und ich existieren nebeneinander her und ignorieren uns gegenseitig. So leben wir ganz gut.

Bis jemand zu Besuch kommen will. Ich sage ab, weil ich nicht weiß, ob der Jemand den Geruch auch so gut ignorieren können wird, wie ich es bereits meistere.

Die Lüftung saugt. Alles kurz gut und frisch.

Als der Gestank wiederkommt, denke ich erst, ich bilde ihn mir nur ein. Meine Gehirnrinde will ihn ignorieren, meine Nase riecht ihn aber tatsächlich. Ich folge einer unsichtbaren Spur.

Ich stelle die Wohnung auf den Kopf. Ich finde ein Rohr ganz oben an der Wand hinter dem Boiler. Ich schnuppere.

Ich rufe den Papa an. Er will sich da jetzt nicht festlegen, aber ich könnte Wasser hineingießen. Es könnte da drinnen trocken sein, wenn ich schon länger nicht mehr Wäsche gewaschen hab.

Die Mama sagt, die Wohnung fängt immer am Kopf an zu stinken.

Ich schaue an meinem Pyjama hinunter, den ich schon 2 Monate trage.

Meine Schwester sagt, ich könnte Zitronenmineral hineingießen.

Es gluckert.

Die Lüftung saugt den Rest ab.

Auch den Pyjama wechsle ich. Zur Sicherheit.

Manchmal sollte man doch die Wurzel des Problems beseitigen.

Bzw. den Gestank im Rohr.

Als er weg ist, vermisse ich ihn kurz.

© Sabine Höller 2020-05-27

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