von Johanna Floss
Es war einmal ein Mädchen mit Händen so groß wie Teller und einem Mund, der beim Lachen über das gesamte Gesicht, vom linken Ohr bis zum rechten reichte. Es liebte Bücher und fand sich regelmäßig in der Welt von Lisa, Madita, Ronja und Pippi wieder und träumte, es wäre Frau Lindgren und würde sich seine Welt selbst erschaffen.
Spät abends, wenn es im Bett lag und vermeintlich bereits schlief, holte das Mädchen mit Händen so groß wie Teller, Stift und Papier unter seinem Kopfpolster hervor und schrieb. Es waren Gedanken, Gedichte und phantastische Geschichten einer Kinderwelt, die es niederschrieb und still und heimlich unter der Bettdecke rezitierte. Nur für sich. Und die Realität wich seiner Traumwelt.
Das Mädchen wurde älter, ernüchtert von einem Schulsystem und erwachte aus seiner phantastischen Traumwelt. Es vergaß seine Liebe und Leidenschaft zum Schreiben, die nur mehr beim Verfassen von Briefen und Karten leise aufflackerten. Das Leben stellte sich ein, meinte es gut mit dem Mädchen, bescherte ihm die Liebe und eine wunderbare Familie. Und doch war da etwas, das ihm fehlte. Vielleicht waren es seine Träume.
Als das Mädchen mit Händen so groß wie Teller kein Mädchen mehr war, als seine Träume bereits der Realität gewichen waren, lernte es jemanden kennen. Zufall oder Schicksal, wohl eher letzteres, wie sich im Leben im Nachhinein allzuoft herausstellt. Es war ein Frau, stark, fröhlich und motivierend, mit einem ganz großen Herzen, und bald eine Freundin. Diese Frau erzählte dem Mädchen mit den großen Händen, das ja gar kein Mädchen mehr war, von einer Idee, einem Projekt. Von Geschichten, Lagerfeuern und von Verbindungen. Sie erzählte ihm von 2500 Zeichen, von einer Plattform, vom Leben und der Welt. Das Mädchen begriff nicht viel, bis es…bis ihn selbst eines Tages das Feuer ergriff.
Eines Tages nämlich, als dem Mädchen, das ja gar kein Mädchen mehr war, Herz und Kopf übergingen, holte es Stift und Papier hervor und setzte sich an den Küchentisch. Ohne lange zu überlegen, schrieb es Buchstaben nieder, die Worte ergaben, Worte, die zu einer Geschichte wurden, zu einer Geschichte mit 2500 Zeichen. Mit nun leichtem Herzen und feuerroten Wangen saß es danach einfach nur da und starrte auf das, was es getan, was es geschrieben hatte. Es starrte auf seine Geschichte, auf seine story one.
Dieses Mädchen mit Händen so groß wie Teller, das ja gar kein Mädchen mehr ist, tauchte an diesem Tag wieder ein in seine Welt von früher, als es spät abends, als es vermeintlich bereits schlief, unter seinem Kopfpolster Stift und Papier hervorgeholt hatte, und erinnerte sich an dieses Gefühl. Seine Liebe und Leidenschaft zum Schreiben waren wieder da, wie aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Von nun an wurde das Schreiben zum Bestandteil seines Lebens, das sich so plötzlich vollständig anfühlte. Und wenn es nicht gestorben ist, dann schreibt es auch noch weiter. Und weiter. Und weiter.
© Johanna Floss 2020-05-26