von Judith Steinbach
Der Plastiksessel quietschte als ich mich darauf niederließ. Mein Kopf tat weh und ich war tot müde und trotzdem wollte ich das Krankenhaus verlassen. Mein Handy vibrierte und ein Blick auf den Bildschirm verriet mir das es Zara war. Ich wollte sie schon wegklicken, als ich eine Nachricht von ihr bekam: „Ich weiß, dass du meinen Anruf siehst, also heb ab!“ Warum auch immer hob ich wirklich ab und ich machte mich auf Ärger bereit, doch als ich abhob, schwieg sie. „Hey“, sagte ich und merkte dabei, wie rau und trocken meine Stimme klang. „Hallo, ich bin gerade zu Hause und fahre gleich wieder zu Eva, soll ich dir etwas mitbringen?“, fragte meine Schwester. Ich nickte, dann fiel mir ein, dass sie das gar nicht sah und schob schnell hinterher: „Ja bitte, ein Ibuprofen und einen Espresso“ „Okay bis gleich!“, antwortete sie und ich legte auf.
Espresso. Bei dem Gedanken daran regte sich eine Erinnerung in meinem Kopf. Es war der Sommer, in dem Eva mehr für mich wurde als nur die beste Freundin meiner Schwester. Der Sommer in dem Zara 18 wurde. Damals hatte Eva für eine Woche bei uns übernachtet. Davor waren wir in Italien gewesen und ich hatte meine große liebe zum Kaffee gefunden. Jeden morgen beim Frühstück trank ich einen Espresso. Und die beste Freundin meiner Schwester verdrehte jedes Mal die Augen, wenn ich mich mit meiner Tasse dampfenden Kaffees an den Tisch setzte. Nach dem dritten Mal sah ich sie an und fragte genervt: „Was?“ „Schmeckt das?“, war ihre Gegenfrage. Ich nickte und hielt ihr die Tasse hin mit den Worten: „Klar, magst du kosten?“ Und sie nahm mir tatsächlich die Tasse ab und nahm einen Schluck. Ihr Gesicht verzog sich und sie presste die Lippen aufeinander, während sie mir die Tasse zurückgab. Ich nahm einen genießerischen Schluck, während ich sie amüsiert beobachtete. Sie schluckte und schüttelte sich, dann meinte sie: „Das ist absolut ekelhaft, wie kannst du das nur freiwillig trinken?“ Ich lächelte amüsiert und meinte: „Also ich find‘s super“ dann nahm ich noch einen Schluck und sah sie dabei direkt an und sie runzelte die Stirn. Und das war das erste Mal, das ich sie ansah und mich fragte, seit wann sie so hübsch war. Ihre blauen Augen funkelten mich genervt an und ihre hellbraunen Haare lagen in einem langen geflochtenen Zopf über ihrer Schulter, sie trug ein kurzes hellblaues Sommerkleid, in dem sie aussah wie ein Mädchen aus den 50ern. So hübsch hatte sie in meinen Augen noch nie ausgesehen. Und sie war auch noch nie so süß gewesen wie in diesem Moment in der Küche.
© Judith Steinbach 2025-05-20