Staatlich organisierter Rassismus. Todesstrafen für Homosexuelle. Gezielte Terroranschläge auf Immigranten. Aber nein, die Kritiker, die Toleranz als überflüssiges Gut darstellen, haben natürlich recht. Doch ich glaube eines, diejenigen, die Toleranz als redundanten Wert sehen, waren noch nie in einer solch prekären Lage, dass sie aufgrund ihrer Gesinnung, Herkunft oder sexuellen Orientierung verfolgt, bedroht oder reduziert wurden. Das ist die traurige Wahrheit. Sie fordern die Abschaffung eines Prinzips, auf das sie nicht angewiesen sind und deshalb den immensen Wert dahinter nicht nachvollziehen können. Genau das ist das grundlegende Problem, sie verstehen nur die sachliche Ebene aber die innere ist für sie latent. Allerdings ist die Toleranz auch erst notwendig, weil es Minderheiten gibt, die ausgegrenzt werden und das nur, da sie nicht in das Raster der Zeit passen.
Mehrheit und Minderheit sind auf hochkomplexe Weise miteinander verbunden. Die Menschen in der Unterzahl wollen Gleichberechtigung, wofür die Toleranz den Grundstein legt. Aber die große Partei, die Mehrheit, möchte nichts von ihrer Macht verlieren, denn nichts anderes ist diese Hierarchie. Ein Machtverhältnis. Die Menge kann indoktrinieren, ihre Werte weitergeben, die Welt gestalten, damit sich ja nichts ändert, denn jetzt gerade ist es für sie perfekt. Sie sind am Drücker. Sie sind der Boss. Sie stehen an der Spitze. Doch das Blatt wendet sich irgendwann. So das Schicksal will. Alles geht auf und ab und auf und wieder ab, wie Wellen am Meer. Einmal ist Flut, dann kommt wieder die Ebbe. Dieser Lauf der Dinge ist ein ungeschriebenes Naturgesetz. Auf diese Weise kommen und gehen Staatssysteme, Wertvorstellungen.
Viele wollen in diesem Hinblick Weiterentwicklung in der Technik aber auch in unserer Moral. Die Frage ist nur, sind wir gerade noch in einer Depression oder ist unsere Toleranz schon aufs höchste ausgeschöpft?
Hass wird es unter den Menschen immer geben, deshalb sind die Prinzipien der völligen Gleichberechtigung, Gleichheit und Gerechtigkeit nur Hirngespinste. Nur um ein paar Punkte auf der Liste der unerreichbaren Ziele der Menschheit zu nennen. Innerlich wollen wir zwar all diese Dinge, aber der Wille ist nicht genug. Viel stärker ist in unserer Natur der Wettbewerbsgedanke verankert, mit dem auch der zwischenmenschliche Vergleich und der Kampf einhergeht. Diese rudimentären Dinge verschaffen uns mehr seelische Linderung als so etwas Komplexes wie Frieden oder Gleichheit. Vorausgesetzt wir sind auf der Gewinnerseite. Die Verlierer werden dann erniedrigt und diffamiert, damit der Sieg uns noch mehr befriedigt. Man markiert sein Revier. Zeigt, dass man der Überlegene ist und ist stolz darauf. Dass nunmal meistens die Mehrheit diese Position einnimmt, ist dabei keinesfalls verwunderlich. Nein ganz im Gegenteil, es ist das einzige, das Sinn ergibt. Doch das menschliche Miteinander ist komplizierter als Gewinner und Verlierer, Mehrheit und Minderheit. Da gibt es auch noch die sogenannten „Mitläufer“.
© -un-PERSONAL_POETRY 2023-06-07