von Minna Eugster
Nacht ist es, und still.
Der intensive Geruch von billigen Duftkerzen -Vanille glaube ich- lässt das Aroma des frisch gemachten Kaffees verschwinden. Das offene Fenster gibt nicht viel vom nächtlichen Leben preis- nur ab und zu Gegröle eines Betrunkenen, das Knallen einer Türe oder Fetzen eines Gespräches, welche der Wind zu uns herauf trägt. Sie sitzt still. Ihr Blick verschwimmt in den Lichtern der Stadt, aber den Umständen entsprechend verhält sie sich nicht. Sie sitzt still. Sie sitzt still, obwohl nur wenige Minuten zuvor der Fernseher noch lief, obwohl wir endlich erfahren hatten, was geschehen war, an diesem Tag im Oktober. Obwohl ich fast geschrien hatte, obwohl der Fernseher geflackert hatte und danach komplett ausgegangen war.
Die Erste Etappe.
Die Couch ist alt, ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an welchem ich diesen verflixten Brandfleck mit meiner Zigarette gemacht hatte, der einfach nicht weggehen wollte. Das muss etwa vor sieben Jahren gewesen sein. Nach den Nachrichten keine Worte mehr-, Stille. Der Strom ist aus, nun genießen wir unseren letzten Kaffee, unsere letzten Momente. Bald werden sie kommen, anmarschiert, schwere Stiefel auf dem Pflaster, schwere Schritte im engen Korridor, auf den alten, knarrenden Treppenstufe.
Lautes Klopfen, lautes Rufen.
Wir waren nicht unbeachtet geblieben, in jener Nacht im Oktober. Sie hatten unsere Gesichter gesehen, und dann war es sowieso aus mit uns- die hatten Zugriff zu allen Mitteln. Nein, es war schon seit damals klar, dass wir es nicht überleben würden. Ihre Marionetten im Parlament hatten falsche Informationen über uns ausgestrahlt, und sie würden bald da sein und es beenden. Wenige Sekunden, vielleicht Minuten bleiben uns. Ich starre in ihr schwächlich erhelltes Gesicht, das Licht kommt von der Straße. Ihr Blick ist glasig, aber die Spur eines Lächelns ist darauf zu erkennen. Ich muss selber lächeln bei der simplen Vorstellung, dass dies doch ein wunderschöner Moment ist. Nur aus dem Grund, dass er gleich für immer weg sein wird, und ich ihn nie wieder werde aufrufen können.
Der Mond scheint bleich, aber die Wolken hatten die Sterne schon verschluckt. Draußen auf den Straßen ist das Dröhnen ihrer Stiefel zu hören. Das Aufbrechen der Türe, die hallenden Schritte im Gang. Ich klammere mich fest an ihren Arm und schaue ihr tief in die Augen. Schritte auf der Treppe. Pochen an der Tür. Lautes Rufen.
Schon sind sie drin, und im Mondlicht sitzen wir starr und bleich, fast schon Leichen.
Im Mondlicht erschießen sie uns, und im Mondlicht liegen wir.
Etappe zwei.
© Minna Eugster 2022-09-29