Etwas, das uns verbindet

Jana Puschmann

von Jana Puschmann

Story

Uns unterscheidet so viel. Du liebst es stark gewürzt. Ich finde es fast versalzen. Du stehst auf Krimis und schaurige Thriller. Ich meide schon alte Schwarz-Weiß-Filme von Edgar Wallace. Du liest Romane nur, wenn sie ein gutes Ende haben. Ich finde, ein trauriges Ende kann literarisch zwingend und fesselnd sein. Du liebst es, bei Blitz und Donner am offenen Fenster zu stehen. Ich verkrieche mich unter meine Bettdecke und würde noch lieber ins Auto steigen. Du würdest nicht für 1000 Euro ein Stückchen Salami probieren. Ich habe in der Schwangerschaft nichts mehr als ein Salami-Brot vermisst. Du trinkst Latte macchiato. Ich lieber Cappuccino.

Das sind alles Nichtigkeiten. Uns unterscheiden Belanglosigkeiten, Dinge von geringer Relevanz. Was die bedeutenden Dinge angeht, da ähneln wir uns sehr. Unsere Weltanschauung, unsere Berufe. Am meisten verbindet uns wohl die Leidenschaft zum geschriebenen Wort. Wir lesen gerne. Wir lesen viel. Wir können ein ganzes Wochenende gemeinsam gleichzeitig lesend und schreibend verbringen. Wie einmal an Karneval – hassen wir beide! –, als wir nach Freiburg in den Kurzurlaub geflohen sind. Draußen lag noch tiefster Schnee. Im Wohnwagen die bollernde Heizung und wir beide gequetscht in der kleinen Sitzecke mit einem dicken Buch vor der Nase. Gesprochen wurde nur das Nötigste. „Bin fast durch!“ „Muss eigentlich seit einer halben Stunde Pipi.“ „Ist voll spannend.“ „Ich muss kurz vorblättern.“ „Die schreibt echt gut.“ „Wie spät ist es eigentlich?“

Als wir unsere Wälzer durch hatten, tauschten wir sie aus und jedes Buch wurde noch ein Mal gelesen. Zwischendurch haben wir auch – glaube ich – etwas gegessen (Schwäbischen Filetteller oder Kässpätzle), aber dann mussten wir in die ortsansässige Bücherstube, um neuen Stoff zu besorgen.

Dass uns das Lesen verbindet, ist etwas wirklich Besonderes. Denn Lesen bildet. Lesen macht kreativ. Lesen ist spannend. Und entspannend. Lesen ist, wie George R.R. Martin sagt, „tausend Leben“ zu durchleben, anstatt, ohne zu lesen, nur sein eigenes. Und wie wundervoll, dass wir unser eigenes so oft gemeinsam leben und gleichzeitig zusammen schon an Orten waren, deren Magie andere – sogenannte Nicht-Leser – nie erfahren werden.

Mama, wenn ich alles Geld der Welt besäße: ich würde uns mit Büchern überschütten!

© Jana Puschmann 2022-12-04