Eure Entscheidung, liebe Story1 Leser?

Hedda Pflagner

von Hedda Pflagner

Story

Alex war gerade einmal fünf Jahre alt, okay, ein bisschen mehr vielleicht. Aber er war noch kein Schulkind.

Ernst und konzentriert erklärte er mir unlängst, was Träume seien. Er deutete auf seine Stirn und sah mir bedeutungsvoll in die Augen.

Weißt du, da drinnen sind viele Bilder und die kommen von allen Seiten und die schieben sich dann übereinander und dann entsteht im Kopf so ein Durcheinander. Deswegen bist du manchmal da und manchmal dort. Er machte eine ausladende Geste dazu, damit ich mir besser vorstellen könne, von wie weit her diese Bilder da kommen können und im Kopf dann aufeinander prallen.

Woher weißt du denn das, fragte ich verblüfft.

Das ist doch ganz klar, sagte er, das ist babyleicht, verstehst du?

Ja, versteh ich, aber wer hat dir das erklärt?

Niemand, sagte er, das hab ich mir selbst so ausgedacht.

Manchmal kennt man sich dann nicht aus, weil die Bilder zu viel sind und sich nicht der Reihe nach ineinander schieben.

Hmm, machte ich, das erschien mir logisch. Ich nickte und war gespannt, wie er fortsetzen würde.

Weißt du, manchmal schieben sich auch böse Sachen da im Kopf ineinander. Das ist dann, wenn ich schlecht träume. Aber meistens wache ich da auf und weiß nicht mehr, wie es weitergeht.

Träumst du oft etwas Schlechtes? fragte er mich nach einer kurzen Pause und sah mich aufmerksam an.

Ja, manchmal, sagte ich. Und du? Darauf bekam ich keine Antwort.

Alex war längst bei einem anderen Lieblingsthema angelangt, den Dinosauriern. Die kannte er alle, auch ihre lateinischen Namen…

***

Alex‘ Eltern waren gerade auf Hochzeitsreise. In Paris.

Sie hatten ihre Hochzeit wegen der Pandemie dreimal verschieben müssen, aber heuer war es dann endlich doch so weit.

Alex besuchte inzwischen seine Oma am Land und war wie so oft ganz glücklich dort.

Bis…

Bis er hörte, dass seine Mama an Corona erkrankt war- offenbar eine Folgeerscheinung des großen Festes ein paar Tage zuvor.

Lange beratschlagten die Eltern, wie sie weiter vorgehen sollten. Aber wenn sie sich angesteckt hatte, würde wohl auch er nicht verschont bleiben.

Sie entschieden, Alex bei der Oma zu lassen, bis alles vorbei wäre.

Doch da hatten sie die Rechnung ohne ihren Sohn gemacht.

Schlagartig begann er zu brüllen, schlug mit seinen kleinen Fäusten um sich und schrie unentwegt. NEIN! NEIN und wieder NEIN! Da war nichts zu machen. Keine Erklärung drang zu ihm durch, nichts konnte ihn beruhigen. Sie versuchten es, immer wieder.

Alex weinte panisch die ganze Nacht hindurch. Sein schlimmster Albtraum war wahr geworden. Er wolle sofort zu seiner Mama, sonst würde er sie nie wiedersehen, rief er unentwegt, weil sie ja sterben könnte. Er müsse auf sie aufpassen und sie beschützen.

Am nächsten Tag holte der zu diesem Zeitpunkt noch gesunde Vater seinen Sohn, der wie ein Häuflein Elend war, von seiner Mutter ab und brachte ihn zurück nach Hause.

Hätte es eine andere Lösung gegeben?

Wie hättet IHR entschieden, liebe Leser? Was hättet IHR in dieser Situation gemacht???

© Hedda Pflagner 2022-07-06

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