von Jamal Tuschick
Die erste koloniale Regel besagte: WeiĂe schlagen Schwarze. In der Schlacht bei Dogali am 25. und 26. Januar 1887 schlugen Schwarze WeiĂe. Ein italienisches Expeditionskorps erlag dem abessinischen Heer unter Ras Alula Engida. Die Ausnahme lieĂ sich EuropĂ€ern nicht objektiv vermitteln. Die modernen Waffen der Ăthiopier stammten aus Italien. Die Italiener hatten Ăthiopien (damals Abessinien) fĂŒr ein Reservoir der unterwĂŒrfigen Hilfsbereitschaft gehalten. Das Land bot ein festgefĂŒgtes, christlich-orthodox grundiertes Staatswesen. Ein europĂ€ischer Irrtum des 19. Jahrhunderts bestand darin, zu glauben, Jesus in Afrika popularisiert zu haben. TatsĂ€chlich war er da lange vorher angekommen. Der christlich-jĂŒdische Urtext reicht bis in die Zeit des Alten Testaments, als die mythische Königin von Saba mit dem israelischen König Salomon in Jerusalem tausend Jahre vor Christus den jĂŒdisch-christlich-afrikanischen Motor anwarf und im Beischlafmodus die Dynastie der Meneliks grĂŒndete. Abessinien war nicht nur einer der Ă€ltesten christlichen Staaten, sondern einer der Ă€ltesten Staaten ĂŒberhaupt. Im Dunstkreis der kolonialen Auseinandersetzungen unternahm der aus Parma gebĂŒrtige Offizier Vittorio Bottego (1860 – 1897) eine Forschungsreise, die er nicht ĂŒberlebte. Bottegos letzte Expedition bildet den Ausgangspunkt des Romans. Eine merkwĂŒrdig unkritische, vom Geist des Dekolonisierungsdiskurses unberĂŒhrte Darstellung, die den âEntdeckerâ heroisiert, untergrĂ€bt das LesevergnĂŒgen.
Gianfranco Calligarich, âWie ein wilder Gottâ, Roman, aus dem Italienischen von Karin Krieger, Zsolnay, 24,-Â
Der ErzĂ€hler, âein gut siebzigjĂ€hriger Nichtstuer ⊠und pensionierter PrĂ€sident der Geographischen Gesellschaft schaut 1933 vom Fenster seiner Villa in Rom auf eine Gartenmauer. An ihr ziehen wie auf einer Leinwand die Bilder sowohl seines eigenen Lebens als auch die des berĂŒhmten italienischen Afrikaforschers ⊠Bottego vorbei.â Die ErzĂ€hlung stĂŒtzt sich auf Bottegos Aufzeichnungen nicht zuletzt. Der âEntdeckerâ legte umfĂ€nglich Zeugnis ab und war Held von Glorifizierungen. Vom Fieber zerrĂŒttet, lieĂ sich Bottego durch den Dschungel tragen. Auf der Suche nach den Quellen des Juba stritt er ausgiebig mit seinem Stellvertreter. Der wohlhabende Artillerie-Offizier Matteo Grixoni nahm die Expeditionsstrapazen in einem unbezahlten Urlaub auf sich, wĂ€hrend Bottego einen staatlichen Auftrag erfĂŒllt und folglich soldberechtigt bleibt.
Calligarich lĂ€sst kein gutes Haar an Grixoni. Er beschreibt einen schieĂwĂŒtigen Herrenmenschen, der schlieĂlich mit vorgehaltener Waffe âdesertierteâ. Das Datum ist dokumentiert. Grixoni setzte sich am 15. Februar 1893 ab. Bis zu seinem Tod 1940 erholte er sich nicht mehr von den Folgen seines afrikanischen Abenteuers. Dem zunĂ€chst GlĂŒcklicheren erschien der Juba als âwilder Gottâ. Bottego gelangte zu dessen Quellen und folgt dann dem Lauf Richtung Meer. Der Reisende und seine Entourage rĂŒckten skrupellos vor. Die Usurpatoren frĂ€sten sich durch die Landschaft. Gleichzeitig gerierte sich Bottego als rational-umsichtiger Expeditionsleiter, der alle möglichen Exploitationschancen zum Vorteil Italiens erwog.
© Jamal Tuschick 2024-08-20