Gute Schulnoten zu haben, war während meiner ganzen Schulzeit ein absolutes Muss. Wenn ich zurückblicke, kommen Flashbacks in mir hoch, Erinnerungen an Deutschstunden, in denen wieder einmal eine Deutsch-Schularbeit zurückgegeben wurde.
Es war sehr spannend. Zuerst kamen die mit einem Sehr gut bewerteten Arbeiten dran, dann die mit einem Gut, usw. Anspannung pur. Große Erleichterung, wenn man seinen Namen hörte. Das bedeutete ein Sehr gut. Oder? Einmal wurde mein Name zuerst genannt. Und ja, es war ein Sehr gut, aber eines mit einem Minus, also ein -Sehr gut. Ich freute mich trotzdem darüber, war es immerhin die beste Arbeit in der Klasse. Mein Ehrgeiz war kurz zufrieden gestellt und ruhig. Meine Existenzberechtigung gesichert.
In der Schule war es unbedingt notwendig, gute Noten zu bekommen. Alles drehte sich um gute Noten. Eine Katastrophe, wenn es einmal eine schlechte Note gab. Ein Nicht genügend oder ein genügend ließ mich in tiefe Trauer versinken. Ich erinnere mich an meine Zeit an der Universität, als ich einmal auf eine Prüfung ein genügend bekommen hatte. Ich war unglücklich darüber und machte die Prüfung noch einmal. Ich wollte einen Schein mit einem Sehr gut darauf in meinen Händen halten
In der Volksschulzeit hörte ich den Satz meiner Mutter, der sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt hatte: „Was täte ich mit einem dummen Kind?“ Während mich der Standard Satz meines Vaters „Wenn sie nicht lernen will, dann soll sie halt Klofrau werden“, begleitete. Dieser Satz ärgerte und verletzte mich. Ich musste also gescheit sein, um geliebt zu werden. Das war die Botschaft. Dokumentiert musste dieses Gescheitsein in guten Noten werden. Hochstimmung in mir, wenn ich eine gute Note vorweisen konnte. Zu Tode betrübt, wenn es einmal anders war. Und es wurde anders. Hatte ich in den ersten drei Volksschulklassen immer nur sehr gut, kam in der vierten Klasse ein Gut ins Zeugnis. In der Hauptschule stand die Not Gut immer häufiger im Leistungsnachweis und ich wurde immer unglücklicher.
Ich besuchte dann das Musisch pädagogische Realgymnasium und die Noten wurden schlechter. Den Höhepunkt erreichten sie in der siebten Klasse, als ich in Mathematik den blauen Brief bekam. Dieser bedeutete ein drohendes Nicht genügend im Jahreszeugnis und somit entweder eine Nachprüfung oder Wiederholung des Schuljahres.
Ich bekam in Mathematik Nachhilfestunden und steckte meine ganze Energie in dieses Fach. Die anderen Gegenstände liefen so nebenbei, mussten sie, denn meine zur Verfügung stehende Zeit war begrenzt.
Der Nachhilfeunterricht zeigte Wirkung. Ich kam in die achte Klasse. Matura. Ich schaffte sie. Ich hielt das Reifezeugnis in Händen. Es waren einige Vierer und Dreier drinnen. Ich konnte mich nicht freuen und stand vor einer ungewissen Zukunft.
© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-06