Fabelhaft

Wolfgang Mayer König

von Wolfgang Mayer König

Story

Wolfgang Mayer König

In meiner Dichterklause steht immer an meiner Seite eine kleine Barockbank mit Tierszenen aus den bezaubernden Fabeln Äsops und Jean de La Fontaines. Wenn mein Blick auf dieser Bank ruht, denke ich immer an Äsops Fabel mit den zwei Fröschen, die in der mittelalterlichen Exempelsammlung altgriechischer Weisheiten zum bleibenden Grundsatz geführt hat: „Überlege vor der Tat, damit nichts Törichtes entstehe“. „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“. Ja der Instinkt und Hausverstand läßt rasch und manchmal lebensrettend reagieren. Es nützt dann nicht viel, darüber Bescheid zu wissen, wie ein Auto funktioniert, wieviel PS oder Hubraum es hat, wenn es darum geht, unter Adrenalinausstoss vor ihm zurückzuspringen, um nicht überfahren zu werden. Auf längere Dauer aber ist abwägendes, zielorientiertes Handeln von Nöten. Ansonsten gibt es nur Agieren und Reagieren, Opportunismus, Korruption, Durchsetzungsmacht, Durchschwimmen und Abputzen. Das nennt sich dann: das Handwerk und die hohe Kunst der Politik. Ich weiß wovon ich rede. Ich habe ein gerüttelt Maß an Politikern, Staatsmännern und Wirtschaftslenkern in aller Welt , mehr als mir vielleicht lieb war, kennengelernt, aber auch ebenso viele schlichte Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft. Um es gleich vorwegzunehmen: Letztere sind mir lieber.

Oh, wie ergötzen mich diese Fabeln und Gleichnisse, und die davon herrührenden Redewendungen, wie „sich mit fremden Federn schmücken“ aus Äsops Fabel von der Dohle und den Vögeln. Oder der Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind. Oder der Fünfkämpfer als Prahlhans, Schildkröte und Hase, Fuchs und Hahn, Wolf und Kranich (auf der Sitzfläche links auf meinem Bankerl zu sehen), Jupiter und Biene, und schließlich meine absolute Lieblingsfabel Äsops: „Die Stadtmaus und die Landmaus“.

Ja was könnte die Politik nicht alles daraus lernen, wieviel nahrhafte Scheiben sich für ihr Gelingen abschneiden. Sie, stets bildungsunwillig, weil sie ohnehin schon alles kann, weil sie ja nichts zu können braucht, tut das freilich als Kinderspiel ab.

An dieser verdammenswürdigen Politik ist auch Äsop gescheitert. Er,einer der berühmtesten Dichter und Philosophen des 6. Jhdts. v.Chr. Er war zwar nicht schön von Gestalt und noch dazu stumm, Verlazques malte ihn 1640 tief berührend, aber König Kroisos von Lydien hielt viel von seinem schriftlichen Rat und seinen stumm beredten Gleichnissen. Herodot widmet sich dem Leben des Dichters Äsop, ebenso Aristophanes, der ihn in den 422 v.Chr uraufgeführten „Wespen“erwähnt, aber auch Plutarch. Letzterer berichtet, dass Äsop einem als Justizmord getarnten politischen Mord in Delphi zum Opfer fiel. Als er etwas undiplomatisch als Emissär ebenso frank und frei wie gerade heraus einbekannte, dass er die Delphier der großzügigen Geschenke, die sie von König Kroisos erhielten, für unwürdig erachte, verurteilten sie ihn zum Tod und stürzten ihn von einem Felsen.

© Wolfgang Mayer König 2020-08-23

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