Fasan mit Wintermantel 2

Richard Hebstreit

von Richard Hebstreit

Story
Berlin 2010

Nach der Begrüßung geleitet man uns in einen Kaminraum, der voll verglast vom Gastraum aus zu sehen ist. Unter einem wolperting artigem Büffelkopf knistern im Kaminfeuer dicke Buchenholzscheite und es duftet angenehm nach diesem Buchenholz. In voluminösen Ledersesseln nehmen wir Platz und bekommen neben dem üblichen Smalltalk ein Glas Champagner vom langbeinigem Service kredenzt. Die Dame vom Service entschwebt wieder wie ein Engelchen durch die große hoch polierte Glaspendeltüre. Ich werde gefragt, ob ich bitte vor oder nach dem Essen eine Zigarre rauchen möchte. Ich entscheide mich ganz unbescheiden für die Variante vor- und nach dem Essen, wenn ich schon mal da bin. Im Kaminraum steht ein Humidor, aus dem ich mich für die dickste und größte Kuba-Zigarre entscheide. Dann im dicken Sessel die dicke Cohiba Esplendidos Var schmauchend klingen dicke Komplimente über mein dickes „SALZZUNGEN“ Manuskript in meine für Komplimente empfänglichen Ohren. Es würde mit Sicherheit der Schelmenroman des Einundzwanzigsten Jahrhunderts werden und Beziehungen zu Filmstoryrechten – Agenturen hätte man auch schon angekurbelt. Der Film zum Buch könnte Mitte übernächsten Jahres schon fertig sein. Die Augen meiner Frau glänzen. Sie hüstelt wohl ein wenig, wegen meiner Rauchringe, die ich elegant gekonnt und oft geübt in die Luft des Kaminraumes puste. Und hüstelt wohl auch, weil ich der Frau vom Verlag immer wie gebannt in den Ausschnitt schiele. Ich will dieses denkwürdige Ereignis auch fotografisch dokumentieren und zücke meine Digitalkamera und lasse mich, den zukünftigen berühmten Berliner Autor mit dicker Zigarre im dicken Ledersessel ablichten. Meine Engel werden gelobt, die jetzt schon wieder fliegen in alle Welt, von meiner Website oder einem Berliner Engelladen.“ Mein Engel mit dem blauen Hintergrund vom Westendfriedhof hängt inzwischen hinter dem Sessel des Verlagschefs im A-NULL Format quer!“, tönt lautstark der Mittvierziger. Die Augen meiner Frau glänzen wie die Champagnergläser, in deren Glaskelchen sich die Lichter des Raumes wie Weihnachtsbaumkerzen widerspiegeln. Mir ist wie Weihnachten und Neujahr zusammen an einem Tag, als ich die wahrscheinlichen Erlöse meiner Bücher vorgerechnet bekomme. Von dem Verkaufspreis der Auflage eines der Bücher bekäme ich Fünfunddreißigstundenwoche Euro. Das macht schon bei einer Zehntausdender Auflage Dreiundsiebzigtausendfünfhundert Euro Brutto! Nach Abzug der Steuern und Krankenkasse wären das Fünfzigtausend Euro Cash für fünfzig schwarze Nächte, in denen ich den Roman geschrieben habe. Tausend Euro in einer Nacht verdienen, wo kann man das heute noch! Ich wähne mich gedanklich schon im avisierten kommenden saukalten Berliner Januar im warmen Thailand an einem weiß pulvrigem Sandstrand, wo ich befächelt mit Palmenzweigen von einer mandeläugigen Thailänderin in rosa Badelatschen mit einem lichtstarken Laptop auf den Knien mein nächstes Jahrhundertbuch „JAHRHUNDERTWINTER“ schreiben werde. Ich muss husten. Meine Frau hüstelt nicht mehr und betrachtet mich wie den lieben Gott. Sie rechnet sich schon im Kopf die Hunderttausender Auflage durch.

(Fortsetzung folgt!)

© Richard Hebstreit 2023-08-24

Genres
Romane & Erzählungen, Anthologien
Stimmung
Abenteuerlich, Komisch, Informativ
Hashtags