Faschingswaffen

An einer Schule in einer ländlichen Region, fast fernab der Zivilisation, merkte ich zum ersten Mal, dass manche Kinder „unbelehrbar“ sind.

Christian* fiel auf. Stundenlang saß ich bei ihm, machte Einzelbetreuung. Seitenweise schrieb er unter meiner Aufsicht seinen Vornamen.

Immer wieder sagte ich ihm an: „Chris-ti-an“. Jedes Mal, als wir bei „Chr“ angelangt waren, lobte ich ihn zu früh. Jedes Mal schrieb er „Chrustian“, statt Christian.

Auf jedem Arbeitsblatt fand sich dieser falsch geschriebene Name und sogar auf dem großen Jausenbrett, das mir die Kinder als Andenken am Ende des Schuljahres überreichten, stand fein säuberlich für die Ewigkeit in Holz graviert ein „Chru“, das ihn eine gute Seele zu einem „Chris“ mit angehängtem „tian“ ausbessern hatte lassen.

Es war Faschingszeit in der Schule. Zeit sich zu verkleiden. Ich schärfte den Kindern meiner Klasse am Tag vor Faschingsdienstag ein, was nicht in die Schule mitgebracht werden dürfe – die Polizisten bitte keine Pistolen, die Piraten keine Säbel, die Ninjas keine Kampfstäbe und die Star Wars Jedis keine Lichtschwerter.

Damit nur ja niemand auf die Idee kam, stattdessen lieber einen dieser neonfarbenen Sprays für Haut und Haar mitzunehmen, erwähnte ich vorsichtshalber, dass diese ebenso zu Hause zu lassen wären. Aus den Faschingsdienstagen zuvor hatten das Lehrerkollegium und der schulische Putztrupp gelernt, sich bezüglich „Verbote zu Fasching“ überdeutlich auszudrücken.

Eine alte Lehrerkrankheit, an der ich damals schon chronisch litt, bewegte mich dazu, erneut alle nicht erwünschten Faschingsaccessoires aufzuzählen und schloss meine Rede ausdrücklich mit: „Spielzeugwaffen sind am Faschingsdienstag aus Sicherheitsgründen verboten!“

Chrustian meldete sich. Als ich ihn dran nahm, fiel ihm zur Überraschung aller ein: „Aber Frau Lehrerin, ich kann meine Waffen nicht zu Hause lassen. Ich gehe als Judokämpfer und meine Hände sind doch meine Waffen!“

*Name von der Redaktion geändert, Geschichte keineswegs erfunden