von Silvia Peiker
Da liegt er, sein kleiner Körper ausgestreckt auf dem kalten Trottoir, sein Blick in unendliche, ferne Galaxien entschwunden. Feuchte Nebelschwaden legen sich schützend, wie ein nasses, zum Trocknen aufgehängtes Tuch um seine grau-schwarz-weiß gestreiften Fellhaare, über die ich so gern streiche. Vorsichtig hebe ich ihn hoch und bette den armen Kerl in ein weiches Bett aus frisch gefallenem Laub, verstecke die endgültige Realität vor den Blicken meiner Kinder unter dem bald kahlen Haselnussstrauch. Dort darf er ruhen, bis ich den dreien, nachdem sie von der Schule heimgekehrt sind, die Hiobsbotschaft so schonend wie möglich beigebracht habe.
Wieder ist der Herbst ins Land gezogen, nachdem wir vor einem Jahr das kleine Fellbündel vom hoch gelegenen Kärntner Bauernhof aus seinem Heubett im Stadl ins flache Niederösterreich in unser trautes Heim holten. Im fremden, aus Weiden geflochtenen Transportkorb hat sich Fauchi so gar nicht wohlgefühlt, deshalb durfte er die mehrstündige Autofahrt auf dem Schoß unserer Ältesten verbringen. Bis ein Aufschrei, gefolgt von einem penetranten Geruch aus dem Fond, die eintönige Fahrt unterbrach: “Mama, er hat mich angegackt!”
So rasch hatte ich noch nie das Seitenfenster geöffnet. Wie gut, dass der Kater, der von den Bauern mit frisch gemolkener, schwer verdaulicher Kuhmilch gefüttert wurde, auf einer Decke saß. Leider mussten wir alle bis zur nächsten Autobahnausfahrt durchhalten, wo wir das Corpus Delikti rasch im erstbesten Mülleimer entsorgten. Die braune Hinterlassenschaft, die die ozeanblaue Katzendecke zierte, erinnerte mich frappant an Christine Nöstlingers Mini-Geschichte, in der Mini mit ihrem Bruder und den Eltern ans Meer fährt. Auch hier gibt es eine Schrecksekunde, als während der Fahrt im aufgeheizten Auto Moritz‘ Schokoriegel, den er im Hosensack der Jeans verstaut hat, zu einem unansehnlichen Klumpen schmilzt. Obwohl, Schokoladeflecken wären mir lieber gewesen, da sie appetitlicher aussehen und kein Misthaufenaroma verströmen.
Doch dieses kleine Malheur hatte glücklicherweise die Aura einer Eintagsfliege und Fauchi benützte von Anfang an brav das Katzenklo und verdaute dank adäquatem Futter in Kürze problemlos seine stubentigergerechte Nahrung. Selbst der Staubsauger konnte dem frechen Kerl mit seinem ohrenbetäubenden Getöse nicht schrecken. Lärmende Traktoren war er ja vom Bauernhof gewöhnt, darum freute er sich, sobald das Haushaltsgerät die Speis verließ, wie ein Cowboy auf sein Pferd. Mit einem kämpferischen Miau sprang er auf den Staubsauger und bändigte diesen wagemutig wie ein Rodeoreiter, währenddessen ich das Haus vom Staub befreite.
Leb wohl, mutiger Fauchi, wir vermissen dein Schnurren …
© Silvia Peiker 2024-04-28