von Emily Drechsler
Er setzte sich auf den Steg eines ruhenden Weihers. Die Algen in der Nähe zum Wasser hatten mit den Sommermonaten den urwüchsigen Fasern der Stegbretter Platz gemacht. Mit der Zeit würde der Steg abgebaut werden und auf ewig verschwinden. Doch noch hatte er Zeit. Er ließ die müden Beine in das rastende Wasser gleiten und beobachtete die Fische, welche in vergangenen Zeiten die Mücken über dem Wasser gefangen hätten, mit dem Rumpf aus dem Wasser brechen, die Mücken wieder ausspucken und rückwärts an einer anderen Stelle erneut eintauchen. Wenn er nach einem Phänomen für Anmut gefragt würde, hätte er dieses angegeben. Er genoss seine Einsamkeit. Für einige Sekunden fiel die Sonne dem Horizont entgegen. Ein Reiher schritt zwischen Schilf und Seerosenblättern nach kleineren Strömern suchend, umher. Die Laute der Kröten und Grillen am Ufer des Weihers versetzten ihn in einen dämmrigen Zustand. Der Frieden schoss ihm in die Glieder. „Bist du nun zufrieden, alter Mann? Hast du genug? Hat dir die Zeit nun endgültig einen Schlag in die mageren Knochen versetzt? Können wir nun endlich zum geschäftlichen kommen?“, hauchte der alte Mephistopheles ihm lächelnd in den Nacken. „Hätte ich mir je einen anderen Zustand aus unserem Verhältnis erhofft? Ich wollte das Ende der Welt sehen. Und so weit hast du mich gebracht. Wie konnte ich nur behaupten, es hätte keine Anmut in seinem Sterben?“ Sie schwiegen. „Seit wann sind wir denn so melancholisch?“, fragte der Teufel. Der Andere winkte ab. „Komm, und setz‘ dich, guter, alter, sturer Mann. Es ist so schön. Lass uns schweigen, bis der Himmel brennt. In bekannte alte Zwietracht können wir auch später noch verfallen. Wer hätte je für dich gebetet, alter Mann? Wer in tausenden Zeitaltern hat je für dich, als Sünder, der es am meisten gebraucht hätte, gebetet?“ Der Mensch lächelte. Mephistopheles setzte sich neben Faust. Faust küsste Mephisto. Und die Welt flüchtete dem Ende zu. – Dem Anfang entgegen.
© Emily Drechsler 2022-08-22