von Meike Sommer
Obwohl die Frau wohl nicht gesellschaftlich über mir steht, strahlt sie eine Autorität aus, die dafür sorgt, dass ich mich selbst als unbedeutender als sie wahrnehme. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich von ihr lernen will wie sie diese Ausstrahlung erlangt hat. Bestimmt kommt sie von der Straße und musste sich ihr Leben lang durchsetzen… Oh, nein. Da ist schon wieder mein Statusdenken! Wie werde ich das bloß wieder los?
Sie scheint meinen inneren Zwiespalt zu spüren, denn wieder lächelt sie mich an, während sie mir nun, zu meiner grenzenlosen Überraschung die Hand entgegenstreckt. Damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet, eher damit, dass sie mir erneut in den Bauch boxt.
„Ich heiße Izevel, aber nenn mich ruhig Izzi.“ Sie verzieht den Mund als sie ihren ganzen Namen ausspricht und ich kann nicht anders als zu kichern.
„Wer hat dir denn diesen Namen gegeben?“ Sofort will ich mir auf die Zunge beißen, weil das mehr als unhöflich war, doch sie lächelt nur weiter.
„Meine Eltern. Anscheinend ist es in meiner Familie Tradition, dass man sich fürchterliche Namen gibt. Ich habe ein kleines bisschen mit der Tradition gebrochen.“
„Du hast schon Kinder?“ Wenn ich vorher schon erschüttert war, dann bin ich jetzt regelrecht geschockt. Sie sieht aus, als wären wir im gleichen Alter. Sie ist vielleicht ein bisschen älter, aber nie und nimmer bereit für Kinder! Doch was soll ich sagen, ich bin sehr schnell im Sprechen ohne Nachzudenken und ich bin auch sehr gut darin sofort die falschen Schlüsse zu ziehen. Was wohl der Grund dafür ist, weshalb ich nie ins Familienunternehmen eingebunden wurde und nur die schöne Frau am Arm eines Mannes werden soll, der dann an meiner statt das Familienunternehmen weiter führen soll. Wobei das auch daran liegen könnte, das ich nicht der Nachkomme geworden bin, den jeder in mir gesehen hat. Aber ehrlich gesagt ist das sogar noch ein ganz guter Deal. Denn ich habe von all den hochnäsigen Idioten sowieso die Nase voll. Weswegen ich schließlich auch hier bin. Um einen anderen Weg zu finden…
„Natürlich habe ich keine Kinder. Ich meinte, das ich mich Izzi nenne und nicht diesen scheußlichen Namen beibehalten habe.“ Das macht irgendwie sehr viel mehr Sinn…
„Tut mir leid, ich bin wohl etwas schwer von Begriff.“ Ich zucke die Achseln als wäre es mir nicht unangenehm, das ich mich hier vor ihr zum Affen mache, obwohl standesgemäß ich diejenige sein sollte, die sich besser im Griff hat. Zumindest sind das die Worte meiner Mutter.
Das sind alles streunende Rüpel da draußen, Nyla. Halte dich bloß von ihnen fern, oder sie werden dir noch den letzten Rest Verstand rauben!
Ich kann mir ziemlich gut vorstellen wie sie dazu noch hochnäsig die Nase rümpft. Hinter vorgehaltener Hand natürlich nur. Alles andere gehört sich für eine Frau ihres Standes nicht.
„Ach, alles gut. Ich bin es gewohnt, dass man sich über meinen Namen lustig macht.“ Jetzt fühle ich mich noch schlechter.
© Meike Sommer 2023-08-13