von Helga M. Stadler
Dass das Leben lebensgefährlich ist, liegt schon in der Begrifflichkeit verankert und gilt ab dem ersten Atemzug oder ersten Schrei für jeden Menschen gleichermaßen. Unabhängig von einem mehr oder minder gefährlichen Geburtsort oder den vorherrschenden Lebensumständen, in die man hineingeboren wird und sich nicht aussuchen kann, sind Mädchen und Frauen, ohne ihr Zutun, auf besonders perfide Weise gefährdet.
Weltweit werden pro Tag 137 Frauen von vertrauten Personen ermordet …
2017 kamen weltweit 87.000 Frauen durch die Hand von Dritten ums Leben. In mehr als der Hälfte der Fälle war der Täter ein Partner, ein Ex, ein verschmähter Liebhaber oder ein männliches Familienmitglied. Die größte Gefahr lauert auf Frauen daher nicht in unbeleuchteten Straßen, in Tiefgaragen oder in Parkanlagen des Nachts, sondern Daheim, in den eigenen vier Wänden.
Die Mörder dieser Frauen sind vertraute oder einst geliebte Menschen, engste Verwandte, aus dem nahen familiären Umkreis – Partner, Ehemann, Ex-Geliebter, Verlobter, Cousin, Onkel, Vater, Bruder. Das Letzte, worin sie blicken, bevor sie verletzt zu Boden gehen, sind ihnen bekannte Augen in einem vertrauten Gesicht.
Frau, stell DIR das Unfassbare vor: Ausgerechnet durch die Hand jenes Mannes zu sterben, der dich großgezogen, dein Leben lang begleitet und beschützt hat oder mit dem du gespielt und gelacht hast oder den du ewige Liebe und Treue geschworen hast und der deine Kinder zu Halbwaisen macht …
Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Egal, ob die Tötung durch einen sog. Intimpartner – aus klassischen Motiven wie Trennung, Rache, Eifersucht, Ehrverlust, Kränkung, Besitzdenken –, Morde im Namen der sog. „Ehre“ oder Mitgiftmorde (in Indien), stattfinden, die Tendenz ist steigend. Abgesehen von Verbrechen wie Genitalverstümmelungen bei Mädchen, Säureattentate, Steinigungen oder Vergewaltigung als Kriegswaffe …
Obwohl es sich um ein globales Phänomen handelt, sind deutliche regionale Unterschiede erkennbar. Vor allem Lateinamerika und afrikanische Länder gelten als gefährlichste Gebiete für Frauen. Aber auch die Statistiken dazu in Europa sind seit langem alles andere als beruhigend.
Die Zahlen aus Österreich zeichnen ebenso ein düsteres Bild: In den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Anstieg bei Gewalt bei Frauen: Jede fünfte Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede 3. Frau musste eine Form von sexueller Belästigung erfahren, jede 7. Frau ist von Stalking betroffen. Seit 2014 gibt es auch ein Ansteigen an weiblichen Mordopfern, 2018–2019 der negative Höhepunkt. Ich bin eine Betroffene, attackiert, sexuell belästigt …
Erst letzten Freitag wurde eine junge Frau, die ich kannte, in meiner unmittelbaren Wohnnähe, von ihrem Exfreund mit Benzin überschüttet und angezündet!
Für den heutigen Internationalen Frauentag ein unwürdiges Zeugnis …
© Helga M. Stadler 2021-03-08