von Cordula_D
âFeng-Shui ist das A & O, meine Teuerste!â, verkĂŒndete Deko-Beraterin Laetitia Bechstein. âDie Kunst der Einrichtung ist der SchlĂŒssel zu innerer Gelassenheit und positiver Energie!â Kritisch musterte Frau Bechstein Helenes Inneneinrichtung, groĂteils bestehend aus dĂŒrftig zusammengezimmerten Ikea-SpontankĂ€ufen. Nach dem plötzlichen Tod ihres Meerschweinchens, welchen sie noch immer nicht verarbeitet hatte, verspĂŒrte Helene das BedĂŒrfnis grĂŒndlich aufzurĂ€umen. Zu viele Erinnerungen klebten an ihrer schlichten Zwei-Zimmer-Wohnung: Die angeknabberten Leisten zeugten noch von Hansis Eifer; das durchgesessene Sofa stand verwaist in seiner Ecke. Niemals mehr wĂŒrden sie es sich darauf gemĂŒtlich machen und gemeinsam Tierdokus ansehen. Der Salat im KĂŒhlschrank war lĂ€ngst verwelkt, doch Helene brachte es nicht ĂŒbers Herz ihn wegzuwerfen. Hansis Spiel-Parcours samt Nagetier-Riesenrad war dem SperrmĂŒll geweiht. Da war Helene die zufĂ€llig entdeckte Visitenkarte gerade recht gekommen: Laetitia Bechstein, GlĂŒck zum Greifen nah – Feng-Shui bei Ihnen zu Hause.  Bei einem Termin wĂŒrde sie gleichzeitig sinnvoll ihren Horizont erweitern. âDank meiner fundierten Kenntnisse kann ich Energieströmungen und Vibrationen im Raum erkennen. Ich habe Ihnen sogar etwas mitgebracht.â Energisch zog Frau B. eine 1,20 Meter groĂe Buddha-Statue aus ihrem monströsen Rollkoffer und Helene fragte sich, ob Horizonterweiterung wirklich ihr Ding war. âBitte sehr, ihr neuer LebensgefĂ€hrte, liebe Helene.“ Frau B. fuhr fort: âMit meinem Laser-MetermaĂ werde ich nun die genaue Mitte ihrer WohnstĂ€tte ermitteln. Nur so werden auch SIE endlich ihre Mitte finden.â Schon schoss ein rot-glĂŒhender Strahl aus dem GerĂ€t, welches Frau B. wie ein Samurai-Schwert von sich hielt. Resolut schob sie den gerĂ€umigen MeerschweinchenkĂ€fig Modell Deluxe zur Seite. âDa ist ja noch Heu drin! Wussten Sie nicht, dass Heu positive Schwingungen absorbiert? Deshalb setzen Sie auch so eine Leidensmiene aufs.â Helene runzelte die Stirn. Frau B. aber hatte den Mittelpunkt des Apartments gefunden: âDie Buddha-Figur werden wir nachher hier mit einem kleinen Teeritual einweihen. Sie haben doch grĂŒnen Tee da?â âĂh⊓. âNun aber an die Arbeit. Sie stehen ja immer noch mit hĂ€ngenden Schultern hier rum! Das ist also Ihr Schlafzimmer? Ich wette, Sie haben höchst unruhige NĂ€chte.â Ja, allerdings, seit Hansi von ihr gegangen war, schlief Helene schlecht. Zu sehr vermisste sie das sanfte, abendliche Rascheln und Knabbern im Raum. âIhr Zimmer geht nach Norden. Und diese Farben! Bitte, DAS sind Energy-Colors. Sie haben die Qual der Wahl!â Genau! Zur Qual wurde das Ganze allerdings fĂŒr Helene. Soeben hatte sie beschlossen, einen wichtigen Termin vorzugeben, da klingelte es an der TĂŒr. âJudith!â Erfreut erblickte Helene ihre beste Freundin mit einer Flasche ihres Lieblingssekts unter dem rechten Arm. Unter dem anderen Arm klemmte ein Karton. âIch dachte, du brĂ€uchtest Gesellschaft. Oder stör ich gerade?â, fragte Judith. âAber nein! Ist das etwaâŠâ Helene wandte sich zu Frau B., die dazu gekommen war. âDanke fĂŒr Ihre MĂŒhen, liebe Frau Bechstein.â Sie drĂŒckte der pikierten Deko-Beraterin den vorbereiteten Geldschein in die Hand. Und zu Judith: âDarf ich?â Vorsichtig griff sie nach dem Karton aus dem ein leises Kratzen und Fiepen kam. âFeng-Shui in Ehren, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die besten Schwingungen in meinem Fall tatsĂ€chlich durch Sekt und jede Menge Heu entstehen.â
© Cordula_D 2025-04-28