von Yvonne Vilela
Ich rechte die Erde hin und her wie einen Zen-Garten. Von rechts nach links, links nach rechts, rechts nach links. Sie blieb stumm und leblos. Der Steinboden, auf dem ich saß, gab seine Kälte an mich ab, doch das interessierte mich nicht. Ebenso wenig wie die aufziehenden Wolken, die den Himmel verdichteten. Der Wind blies eisig durch die rosafarbenen Gerbera, die darin hin und her gewirbelt wurden. Wenn Gerbera sprechen könnten, würden sie sagen `das Leben ist schön mit dir` oder wie in deinem Fall `war schön mit dir`. Auch, wenn mich oft die Tobsucht gebissen hatte, würde ich jetzt alles darum geben, noch einmal mit dir streiten zu können. Zu gerne würde ich hören, wie du mich verbesserst oder dich darüber aufregst, dass ich wie immer auf die letzte Minute mit meinem Zeug um die Ecke komme. Deinen Namen auf einem regungslosen Holzkreuz geschrieben zu sehen, umgeben von all diesen Porzellanengeln und Kerzen fühlte sich wie eine Realität an, in der ich nicht leben wollte. Ein Amselweibchen hüpfte auf dein Beet. Mit seinem cappuccinofarbenen Federkleid fügte es sich perfekt in die Erde ein. Es legte den Kopf schief und schaute mich verdutzt mit seinen Kulleraugen an. Ich rechte weiter, betäubt von meinen eigenen Gedanken. Ich starrte dein Kreuz an. Die Aufschrift unter deinem Namen machte mich wütend. `Fern bei den Sternen und doch so nah`. Was sollte das eigentlich heißen? Das Universum war mittlerweile so gut kartografiert, dass ich das Ammenmärchen vom Himmelreich nicht mehr glauben konnte. Du warst mir bisher auch nicht im Traum erschienen, hast mir ein Zeichen geschickt oder mir mit innerer Stimme in mein Ohr geflüstert. Du warst einfach weg, als hätte es dich nie gegeben. Meine Gedanken kreisten sich in Rage und ich fegte immer schneller und hastiger durch die Erde. Das Amselweibchen blieb auf einem Stein sitzen. Die Porzellanengel sahen mich nichtssagend an. Sie verhöhnten höchstens meine Naivität, die glauben wollte, dass du da draußen doch irgendwo sein könntest. Ich blieb auf dem kalten Steinboden hocken, desinteressiert und unbeeindruckt. Ich starrte in das Flackern deiner Kerzen, als würde ich auf eine Offenbarung warten, doch wie vermutet, geschah nichts. Das Zwiegespräch, das ich mit dir führte, war eher ein Monolog, auf den mir niemand antwortete. Wie ich so da saß, vergraben in meinen Kummer, fing die Amsel an melodisch zu flöten.
Rürürüüü xixiirüüüü hijiji üüüürrüxrüüüüüü
iüüiüü lrüüüüü rürürüüüü xixi xilrüüüüüüü
riririri rüüüührüüüüü hrüüüü xiriiiiii
lrüüü xixixi xrüüüü xrixri rüüüü krikrikriiiiiiii
Sie orgelte und rollte beseelt ihre Strophen und ich fühlte einen seltsamen Frieden in ihrem Gesang. Mir war es fast, als würde ich zwischen ihren Zeilen ein „Du bist nicht alleine, ich schaue nach dir.“ heraushören. Ich schloss für einen Moment meine Augen und fühlte dich nah bei mir.
Mit dem nächsten Windstoß ließ sich die Amsel in die Wolken treiben und flog davon.
© Yvonne Vilela 2021-08-12