Auch die Umschreibung dieses Umstandes mit Worten ist nur ein weiterer Versuch, ihn zu kontrollieren. Ein Versuch, zu verstehen – durch Maskierung des Beobachtbaren mit Symbolen und Interpretationen, die es entfremden. Doch warum? Aus Angst vor der Verurteilung meiner eigenen Fehleinschätzung, der Angst, nichts zu wissen? Vor dem Eingeständnis, keine Kontrolle über das Geschehen zu haben, ihm ausgeliefert zu sein? Warum hinterfragen? Hauptsache, das Chaos ist eingemauert und eingerahmt. Oder besser noch: es gibt gar kein Chaos mehr und es hat auch nie eines gegeben! Verdrängt oder zu einem Konzept gemacht versteckt es sich hinter dem Glauben an die Wahrheit, der zur Wahrheit wurde, als er lange genug unter der Maskierung des scheinbaren Wissens verweilte und mit ihr verschmolz. Doch was war zuerst da? Die Wahrheit oder der Glaube an die Wahrheit? Gibt es die Wahrheit überhaupt oder nur eine Wahrheit? Schließlich ist sie unbestimmt.
So geht sie weiter, die Suche, ohne zu wissen, wonach und driftet ab in die komischsten Verwinkelungen. Mit eingeschränktem Sichtfeld ist es unmöglich, diese Fragen zu beantworten. Jeder Wegweiser, der einem hier begegnen mag, beinhaltet zwar Pfeile, die in alle Richtungen zeigen, ist aber letztlich unbeschriftet. Obwohl ich die Pfeile vermutlich selbst gezeichnet hatte, verhüllte ich mein Gesicht, um mich vor ihnen zu schützen. Aber wenn es unmöglich ist, etwas zu wissen, bringt es auch nichts, eine Richtung vorzugeben. Macht es den Anschein, es ginge zurück, sitzt man nur gegen die Fahrtrichtung und blickt auf das Zurückgelassene. Dreht sich der Blick nach vorne, ist schließlich noch weniger erkenn- und benennbar. Ist die Lösung, dem Tunnel zu vertrauen? Ihm mit Neugier, statt Angst zu begegnen? Oder ist die Lösung, dass es keine Lösung gibt und man aufhören sollte, nach einer zu suchen? Womöglich eine Akzeptanz von beidem.
Von dieser Idee geleitet, versuche ich, alles auf die Karte zu schreiben, was mir in den Sinn kommt, ohne es zu analysieren oder infrage zu stellen. Akzeptieren, dass das „Mehr“ in der Ferne bleibt und der Tunnel so ist, wie er ist. Die Sätze schreiben sich wie von allein:
Man kann kein Buch verstehen durch die Analyse von Tinte und Papier.
Die Hand kann nicht verstehen, was im Kopf vor sich geht.
Worte zwischen Fragmenten der Wirklichkeit sind wie Linien zwischen Sternschnuppen.
Der Ausdruck spiegelt den Eindruck, doch spiegelt der Eindruck auch den Ausdruck wider?
Obwohl die Wirklichkeit unkontrollierbar ist, kontrollieren wir, was Wirklichkeit ist.
Ist es lang genug eisig, kann auch jeder über Wasser laufen.
Doch im Auge des Sturms erscheint schließlich die Sonne.
© Daniel Zankovitsch 2024-05-30