Feuer und Flamme

Gernot Candolini

von Gernot Candolini

Story

Feuer ist eine rätselhafte Erscheinung. Faszinierend, anregend, sympathisch und gleichzeitig kann es zum Schrecklichste werden, das es geben kann. Ein Kerzenmeer, ein Lichterlabyrinth, ein Leuchter lösen erstaunlich wohlige, sentimentale Emotionen aus. Ein richtiges Feuer hat eine magische Anziehung und man kann lange einfach nur hineinschauen. Aber wenn es dem menschlichen Handeln entgleitet, wird es furchterregend und kann zu einem panischen Drama führen.

Ich las ein paar Artikel über das Feuer und beschloss in der Schule etwas zu diesem Thema zu unterrichten. Aber nur die Physik zu erklären oder die Geschichte des Feuers zu erzählen und das Schmelzen von Metallen als Marksteine der Menschheitsgeschichte zu definieren, wollte ich nicht. Feuer ist mehr als Geschichte und Physik, aber wie soll ich anfangen?

Ich sagte: „Nehmt ein leeres Blatt Papier, denkt 5 Minuten nach, und schreibt mir ein zwei Sätze über das Feuer.“ Und dann geschah es wieder, was so oft geschieht, wenn man Kinder und Jugendliche selbst denken lässt. Ein Ergebnis, das mich nicht nur überraschte, sondern mich in seiner Denkweise, Schönheit und Poesie zutiefst beeindruckte.

Einige Texte waren einfach und pragmatisch: „Feuer ist eine heiße Flamme“. „Feuer ist wichtig, weil es uns wärmt.“ Dann gab es auch Texte neugieriger Abenteurer: „Feuer ist ein heißes gasförmiges Dingsbums, das Spraydosen in die Luft jagen kann.“ Wie zur Beruhigung fügte der Abenteurer noch dazu: „Aber man kann es auch sinnvoll nutzen.“ Es gab Texte von Beobachtern: „ Feuer ist heiß und wunderschön, meist ist es in Rot, Orange, Gelb und kleinen blauen Tönen.“ und solche die hinüberglitten in Poesie: „Das Feuer ist ein Verbündeter von Wind, daher kann es sich schnell und leicht ausbreiten und wenn man in der Nähe steht, kann man es knistern und wispern hören.“ Es gab auch Texte mit Gedanken, worüber ich noch nie nachgedacht hatte: „ Das Feuer ähnelt uns ein wenig, weil es Sauerstoff aufnimmt und Kohlendioxid abgibt.“

Und dann war da noch ein Blatt, ein poetisches Kleinod, Gedanken einer 13 Jährigen, unübertrefflich schön. Auf ihrem Blatt durchgestrichen stand folgende Einleitung: „Ich weiß nicht, ob ich das jetzt wissenschaftlich oder normal sagen soll. Ich sags normal: Feuer ist ein Lebewesen, das wir noch nicht entdeckt haben. Es ist lebendig und kann alles, was ein Lebewesen können muss. Es kann auf die Welt kommen (anzünden), es kann sich vermehren und es hat auch verschiedene Körperteile. Es kann atmen … essen … sterben.“

© Gernot Candolini 2020-09-21

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