Fiaker-Fahrt in Wien

Elisabeth Hechenbichler, geborene Hetzenauer

von Elisabeth Hechenbichler, geborene Hetzenauer

Story

Wien war immer eine besondere Stadt für mich und schon bei meinem allerersten Besuch als vierzehnjährige Hauptschülerin fielen mir die Fiaker auf. Später legte ich meine Externistenmatura in einem Wiener Gymnasium ab und meine drei Dienstprüfungskurse für das Finanzamt und die Dienstprüfungen fanden ebenfalls in Wien statt. Ich wollte schon immer mit einem Fiaker fahren, doch ich konnte mir so eine Fahrt lange nicht leisten.

Mit meinen Kindern fuhr ich öfters nach Wien, eines Tages hatte ich meinen sechsjährigen Sohn Christian dabei. Die Sonne strahlte und ich fragte meinen Sohn, der gerade aus der Ferne die Pferde bestaunte, ob er mit einem Fiaker fahren wolle. Er bejahte freudig, deshalb gingen wir zwei zu einem Fiaker-Gespann, das von einer ganz jungen, sehr hübschen dunkelhaarigen Frau geführt wurde.

Wir setzten uns in die Kutsche und die Fahrt ging los. Ich schaute zu meinem kleinen Sohn, der über das ganze Gesicht strahlte und voller Stolz kerzengerade auf der mit Leder bezogenen Bank saß. Interessiert beobachte er das Pferdegespann mit der jungen Kutscherin und die Umgebung. Wir fuhren langsam durch die Stadt, vorbei an zahlreichen schönen Gebäuden, die uns die Kutscherin alle kurz vorstellte. Dann lenkte sie den Fiaker in eine schmale, abschüssige Gasse. Auf der linken Seite befand sich eine Häuserfront und auf der rechten parkten Autos.

Mir fiel auf, dass die Hufe des Pferdes viel lauter klapperten als vorher und der Fiaker viel schneller unterwegs war. Früher hatten wir zu Hause das Heu mit Pferdegespannen eingebracht. Deshalb bemerkte ich sofort, dass der Kutscherin die Zügel entglitten waren und sie das Pferd nicht mehr führen konnte. Es verwirrte das Pferd offensichtlich, dass die Riemen gegen seine Hinterbeine schlugen, wodurch es unruhiger wurde und an Tempo zulegte. Das Pferd kannte die Straße und trabte bergab.

Ich hatte große Angst, dass wir die auf der rechten Seite geparkten PKWs streifen könnten. Entsetzt bemerkte ich einen Kreisverkehr am Ende der Gasse, dem wir uns in rasendem Tempo näherten. Ich überlegte panisch, ob ich nun – zusammen mit meinem Sohn – vom Fiaker abspringen sollte oder nicht. Der Kleine merkte nichts von der drohenden Gefahr.

Als wir fast am Ende der Gasse angelangt waren, lief plötzlich eine junge Frau auf die Straße, ergriff das Pferd beim Halfter und brachte es zum Stehen.

Wie sich herausstellte, war unsere Lebensretterin eine Freundin der Kutscherin. Sie arbeitete in einem Geschäft, dessen Tür offen stand. Die Freundin kannte das Pferd gut und wusste, dass der Fiaker die Straße befahren würde. Sie hatte am lauten Klappern der Pferdehufe gehört, dass das Pferd zu schnell unterwegs war. Deshalb lief sie auf die Straße und reagierte geistesgegenwärtig. Die Kutscherin bedankte sich bei ihrer Freundin und atmete erleichtert auf. Wir Frauen wussten, dass wir uns in großer Gefahr befunden hatten.

© Elisabeth Hechenbichler, geborene Hetzenauer 2022-09-02

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