Fidschigogerln

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Es war beim Sonntagsstammtisch. Jemand verwendete den Begriff „fidschigogerln“ und alle kannten sich aus. Auch ich, obwohl in Deutschland aufgewachsen, kannte dieses Wort aus meiner Wiener Studienzeit und wusste, worum es ging. Wir in Norddeutschland nannten es „Englisch Fußball“, obwohl uns klar war, dass es nichts mit Fußball zu tun hatte.

Worum also geht’s? Nur mehr die älteren Österreicher werden sich daran erinnern, wie man einander in jungen Jahren regelrechte Wettkämpfe in dieser Disziplin geliefert hatte. Gespielt wurde zu zweit auf einem Tisch mit drei Münzen und einem federnden Kamm. Es galt, eine Münze mithilfe eines mit dem Kamm ausgeführten Stupses so über die gedachte Verbindungslinie zwischen den beiden anderen Münzen zu bugsieren, bis sie letztlich im Ziel, dem „Tor“, war. Berührt die gespielte Münze einer der beiden anderen oder überwindet sie nicht die gedachte Verbindungslinie ist der Kontrahent am Zug. Gewinner ist der mit den meisten Toren.

War schon der deutsche Name des Spiels irreführend, so ist er in Österreich noch befremdlicher: Klar, ein solches Wort musste „Made in Austria“ und neueren Datums sein. Wahrscheinlich eine mundartliche Verballhornung sinnvoller Begriffe. Doch welche könnten das gewesen sein? Gnadenlos versuchte ich es mithilfe des Internets, doch war ich zunächst ziemlich erfolglos, da es anscheinend keine verbindliche Schreibweise gibt. Zu meiner Überraschung wurde ich dann mit „Pfitschigogerl“ erfolgreich und zur Erklärung erfuhr ich, dass das der Wortteil „pfitschi“ im Österreichischen „schnell“ bedeutet und „Gagel“ mundartlich für etwas Rundes verwendet wird.

Ich war nicht wirklich überzeugt, denn ich hätte bei „schnell“ eher an den Fidschi-Pfeil, also an die Bewaffnung der Ureinwohner auf der Südseeinsel Fidschi gedacht, der ja in der Mundart schon sprichwörtlich ist. Ferner vermutete ich, dass die „Gogerln“ aus den hochsprachlichen „Kugeln“ entstanden waren, wobei das eingeschobene „r“ bekanntlich als mundartliche Verkleinerungsform anzusehen ist. Überdies wusste ich, dass dieser Begriff in der Mundart als vulgärsprachliche Bezeichnung für die Hoden Verwendung findet. Soweit erschien mir alles plausibel.

Was aber haben Münzen mit Kugeln zu tun? Ich las, dass aus Sri Lanka ein ähnliches Spiel überliefert ist, welches mit Bohnen gespielt wird. Bohnen = Murmeln = Kugeln = Gogerln. So fiel es mir ein, und auch, dass es beim Murmelspiel (norddt. „Klickern“) meiner Kindheit eine Unmenge von Spielvarianten gab. Schon die Cousins hatten andere Regeln ebenso wie die Kinder, die man in den Sommerferien im Urlaub kennengelernt hatte. Bevor man drinnen mit Münzen am Tisch spielte, gab es sicher die nunmehr in Vergessenheit geratene „Outdoor-Version“ mit Murmeln auf den Schulhof oder wo auch immer. Bestimmt liegt darin der Ursprung für unser zunächst so fremdartig erscheinende „Fidschigogerl-Spiel“ – und ich bleibe bei meiner Schreibweise.

© Klaus Schedler 2020-01-07

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