Fiebertraum

Ich bin ihm erfolgreich entkommen, dem Virus, dachte ich bis jetzt. Nun liege ich hier, vom Fieber geschüttelt. Mein Kopf explodiert. Jede Bewegung erfordert höchste Anstrengung. Sofort bin ich außer Atem. Ich muss schlafen, schließe die Augen. Ich erlebe einen Fiebertraum. Ein Film in schwarz- weiß ruckelt über die Leinwand. In das Rauschen hinein ruft eine Frau: „Die Russen kommen.“ Erinnerungsfetzen an den Geschichtsunterricht ziehen vorbei, Gedanken an eine längst vergangene Zeit, als die Großmutter mit dem Schuljungen an der Hand nach Westen flüchtete.

Jetzt stehen sie vor mir, in grüner Camouflage- Uniform, ihre Gewehre auf mich gerichtet. Ihre Hände ruhen am Abzug,gestählt und gehärtet, dank überlebter Dedowschtschina – „Herrschaft der Großväter“. Kleine Kampfmaschinen, gemacht, um zu überfallen, zu töten. Mich?

Ich ziehe meine Waffen und kämpfe, wehre mich gegen die schädliche Krankheit, die in mir tobt, wehre mich gegen den kranken Schädling, der mich überfällt.

Ich erwache und merke, dass es nur ein Fiebertraum war. „Rossiani ydut – die Russen kommen“, höre ich. Gesprächsfetzen des Nachrichtensprechers dringen an mein Ohr. „Russlands Truppen fordern Opfer…“ „Der Virus fordert seine Opfer…“ Ich bin das Nächste, kommt es mir in den Sinn. Ich muss schlafen, schließe die Augen. Ich erlebe hoffentlich nur einen Fiebertraum.