Findelkind

GONI

von GONI

Story

Einer, der sich aus dem Staub macht.

Geboren am 29.8.1891 irgendwo in Rußland.

Früh verliert er seine Mutter, wird ausgesetzt.

Niemand kann sich an die Zeit seiner Geburt zurück erinnern. Als Kind wird er als Matrose auf einem Fischkutter zu schwerer Arbeit eingeteilt. Er glaubt, dass es am Meer war, aber es könnte auch einer der großen Seen gewesen sein. Das Leben ist zu anstrengend, unser Leo macht sich aus dem Staub. Er hat einen Traum. Unbedingt will er zu den Kosaken.

Ist es die Gruppenzugehörigkeit, die Kosaken verwandeln sich gerade in eine der tragenden Säulen des Reiches, sind als barbarische Wilde gefürchtet, wegen ihrer Reitkünste und ihrer kämpferischen Qualitäten andererseits bewundert. Die Kosaken gelten als ein erblicher Kriegerstand, der sich von anderen Gesellschaftsgruppen deutlich abgrenzt und denen Leistung von Militärdienst, Steuer- und Abgabenfreiheit zugestanden wird.

Um angenommen zu werden braucht er Papiere. Im Gouvernement Diribent findet er einen Rechtsanwalt, der seiner Geschichte glauben schenkt und ihm Papiere besorgt.  Der Name des Anwaltes hat für ihn einen guten Klang. Er wird später einmal seinen Namen annehmen. Mit diesen Papieren kann er nun seinen Traum verwirklichen. Er geht zu den Kosaken.

Aber sein Traum zerplatzt, denn ihm fehlen ein paar Zentimeter Körpergröße. Er lässt nicht locker, kann bleiben, als Zeugwart wird er das Sattlerhandwerk erlernen. Auch das Schuhmachen wird ihm beigebracht. Wieder einmal macht sich Leo aus dem Staub.

So um 1917 überschreitet er in Ostpreußen die grüne Grenze seiner Heimat oder hat ihn der 1. Weltkrieg dort zurückgelassen, wer weiß? Dort im Norden ist ein großes Gut eines adeligen Herrn Walter von Sanden. Dieses Gut ist Selbstversorger mit einer kleinen Dorfgemeinschaft. Ein Sattler wird dringend gebraucht, ein Pferdegeschirr ist verschlissen, er darf seine Fertigkeit beweisen und wird eingestellt. Er lernt M. kennen und aus der Liason werden ihnen 3 Kinder geboren. Nach dem 2. Kind wird am 31.10.1920 geheiratet. Die Eifersucht und die Umklammerung von M. wird ihm unerträglich, die Ehe scheitert. Der 2. Weltkrieg trennt das Paar und Leo macht sich aus dem Staub.

Alle Familienmitglieder kommen durch die Kriegswirren nach Deutschland, nur die Jüngste findet ihren Mann und folgt ihm nach Wien. Das neue Familienzentrum ist München. Ihr älterer Bruder forscht nach seinem Vater und findet ihn in Norddeutschland mit einer neuen Familie, mit neuem Ausweis und 10 Jahre jünger, 2 Kinder und eine Schuhwerkstatt.

Wieder ist ihm das Schicksal hold. Leo erarbeitet sich ein wenig Wohlstand und schließt 1975 seine Augen für immer. Dieser Lebenskünstler war mein Großvater, ich habe ihn 2x in seiner Werkstatt besucht, nein mehr als 2 Stunden kennen lernen waren das nicht.

© GONI 2020-07-01

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